Berlin. Der Countdown läuft: Am Sonntag soll der SPD-Konvent entscheiden, ob es Koalitionsverhandlungen mit der Union gibt. Doch in der SPD gibt es weiter große Zweifel. Die Sondierungen bleiben spannend. Die Grünen sind aus dem Koalitionspoker mit der Union erstmal ausgestiegen.
Nach dem vorläufigen Aus für Schwarz-Grün treffen sich Union und SPD an diesem Donnerstag zu entscheidenden Sondierungen über eine große Koalition. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles kündigte am Mittwoch eine weitere intensive Auseinandersetzung um inhaltliche Positionen an. CDU-Vize Thomas Strobl warnte die SPD wegen der nun fehlenden Koalitionsoptionen für seine Partei davor, zu überreizen: "Das ist jetzt eine harte Nuss." Steuererhöhungen werde es nicht geben. Grünen-Chef Cem Özdemir schloss neue Gespräche mit der Union nicht aus, falls CDU, CSU und SPD sich nicht einigen können.
Die schwarz-grünen Sondierungen waren in der Nacht zum Mittwoch gescheitert. Die Grünen lehnten Koalitionsverhandlungen mit der Union mit der Begründung ab, dass es in vielen Bereichen - etwa in der Flüchtlingspolitik - noch zu große Differenzen gebe. CDU und CSU sahen den Hauptgrund für das Scheitern in den Grünen-Forderungen nach höheren Steuern. Beide Seiten betonten jedoch, die unerwartet positive Veränderung im politischen Klima habe Türen geöffnet, die sich so schnell nicht wieder schließen würden.
Özdemir schließt erneute Gespräche mit Union nicht aus
Der Grünen-Vorsitzende Özdemir nannte neue Gespräche mit der Union angesichts eines möglichen Neins der SPD-Basis zu Schwarz-Rot zwar hoch spekulativ. Sollte aber in den schwarz-roten Gesprächen eine Situation entstehen, in der eine große Koalition womöglich nicht zustande komme, "kann es natürlich sein, dass man noch mal miteinander spricht", sagte er im Deutschlandfunk.
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Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) lobte die Annäherung von Union und Grünen im Bund. "Das ist ein Wechsel auf die Zukunft. Darauf können wir aufbauen", sagte er in Stuttgart. "Die Ausschließeritis hat ein Ende gefunden."
Grünen-Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke sagte, in Fragen wie der Flüchtlingspolitik und der doppelten Staatsbürgerschaft sei ein ernsthaftes Zugehen auf die Grünen durchaus spürbar gewesen. Der Vorrat an Gemeinsamkeiten habe jedoch nicht ausgereicht.
Seehofer bedauert Ende der Gespräche mit Grünen
CDU-Bundesvize Julia Klöckner sagte der dpa, die Gespräche mit den Grünen seien keine verlorene Zeit gewesen. Spekulationen wie jene von Özdemir über rasche neue Verhandlungen seien aber "zumindest relativ sportlich", meinte die rheinland-pfälzische CDU-Vorsitzende. Der baden-württembergische CDU-Chef und Bundesvize Thomas Strobl, der sich wie Klöckner immer wieder aufgeschlossen für Schwarz-Grün gezeigt hatte, bedauerte das Scheitern der Sondierung mit den Grünen. Die Grünen seien noch sehr weit entfernt von einem Weg zurück in die bürgerliche Mitte, sagte er der dpa.
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Auch CSU-Chef Horst Seehofer hatte am frühen Mittwoch das Ende der Gespräche mit den Grünen bedauert. "Wir haben am Schluss noch einmal deutlich gemacht, wir hätten die Punkte, die noch im Raum standen, für überwindbar gehalten." Mehrere Grünen-Politiker hoben besonders ein verbessertes Verhältnis zur CSU hervor - Grüne und Christsoziale hatten sich im Wahlkampf besonders beharkt.
Starre Fronten bei gesetzlichem Mindestlohn
Die Gespräche von Union und SPD am Donnerstag dürften nicht einfach werden. Zwar wird SPD-Chef Sigmar Gabriel nachgesagt, dass er gerne eine Regierung mit der Union bilden würde. Doch viele Parteimitglieder sind skeptisch. Vor dem Parteikonvent am Sonntag, der über Koalitionsverhandlungen entscheiden soll, müssen er und die SPD-Spitze Überzeugungsarbeit leisten. Aber gerade beim SPD-Leuchtturmprojekt eines gesetzlichen Mindestlohns hatte es beim jüngsten Sondierungstreffen Anfang der Woche starre Fronten gegeben.
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Der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger warnte die künftige Bundesregierung davor, soziale Leistungen zu stark auszuweiten. Mit wem die Union auch koaliere, "es wird verdammt teuer werden", sagte er am Dienstagabend in Fellbach bei Stuttgart. Deutschland sei auf Umverteilung und Geldausgeben gepolt. Die Regierung dürfe aber nicht nur über Mindestlöhne und Mindestrente sprechen, sondern müsse auch darauf achten, dass die Wettbewerbsfähigkeit bestehen bleibe.
Linken-Chef Bernd Riexinger forderte SPD und Grüne im Fernsehsender n-tv erneut auf, die rot-rot-grüne Mehrheit zu realisieren, um ihre Wahlversprechen umzusetzen. (dpa)