Berlin. Mit welcher Partei gehen CDU und CSU in Koalitionsverhandlungen? Union und SPD sondieren am Montagabend erneut, Union und Grüne am Dienstag. Die SPD will beim Thema Mindestlohn nicht einknicken - die Grünen sind entschlossen, aber skeptisch. Eine dritte Gesprächsrunde scheint inzwischen denkbar.
Die Unterhändler von Union und SPD haben am späten Montagabend nach über fünf Stunden ihre zweite Sondierungsrunde über eine große Koalition für eine Pause unterbrochen. Ein Ende der Gespräche sei noch nicht absehbar, hieß es aus beiden Delegationen. Möglicherweise könnten die Gespräche bis nach 23 Uhr dauern. In der Parlamentarischen Gesellschaft beim Reichstagsgebäude in Berlin waren viele Themen intensiv zu diskutieren, von der Europapolitik bis zum Mindestlohn. Die SPD pocht als zentrales Ziel auf einen gesetzlich festgelegten bundesweiten Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde.
Sie braucht konkrete Kompromisssignale der Union, da am Sonntag ein Parteikonvent über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen entscheiden muss, wenn die Union nicht mit den Grünen über eine Koalition verhandeln will. Am Dienstag treffen sich Union und Grüne zu ihrer zweiten Sondierungsrunde. Die Grünen-Spitze will direkt danach entscheiden, ob sie Schwarz-Grün eine Chance gibt.
CSU-Chef Seehofer für Große Koalition
"Damit hier keine Missverständnisse aufkommen: Wir reden über einen gesetzlichen flächendeckenden Mindestlohn von 8,50 Euro in Ost und West", sagte SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles am Montag kurz vor der zweiten Sondierungsrunde mit der Union über die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen.
CSU-Chef Horst Seehofer betonte die Präferenz seiner Partei für eine große Koalition. Er ließ zugleich erkennen, dass mit SPD und Grünen mehr als die geplanten beiden Treffen in dieser Woche notwendig werden könnten.
Nach Informationen der "Bild-Zeitung könnte ein drittes Sondierungsgespräch über eine große Koalition am Mittwoch oder Donnerstag stattfinden. Aus Union und SPD verlautete, eine dritte Sondierungsrunde sei wegen der Fülle der Themen vorstellbar.
Nahles nennt CDU-Forderungen "abenteuerlich"
SPD-Generalsekretärin Nahles hatte am Vorabend im ZDF Forderungen nach unterschiedlichen Mindestlöhnen etwa in Ost und West sowie den jüngsten Verweis von CDU-Chefin und Kanzlerin Angela Merkel auf die Tarifautonomie als abenteuerlich zurückgewiesen. "Das ist schön und gut - aber wenn das bedeutet, dass man sich nicht festlegt, dass man keine Nummer nennt, keine Zahl, dann wird das schwierig."
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Die Union will keinen gesetzlich festgelegten Mindestlohn, sondern durch eine Tarifkommission ausgehandelte regional- und branchenspezifische Lohnuntergrenzen. Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) sagte im rbb-Inforadio, die Union müsse bereit sein, einen flächendeckenden Mindestlohn zu akzeptieren, sonst werde es keinen schwarz-roten Koalitionsvertrag geben. Auch die Union habe die Forderung nach einem Mindestlohn im Wahlprogramm gehabt.
"Keine Koalitionsverhandlungen vorwegnehmen"
Nahles sagte, sie erwarte eine mehrstündige intensive Debatte mit der Union, weil tief in die Sachthemen eingestiegen werden solle. Sie ließ offen, ob die SPD-Führung anschließend schon eine Beschlussempfehlung für den am Sonntag geplanten Parteikonvent über die mögliche Aufnahme von Koalitionsverhandlungen geben könne.
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"Wir können in den Sondierungsgesprächen nicht die Koalitionsverhandlungen vorwegnehmen." Es gehe darum, Erkenntnisse zu sammeln, "ob die Plattform stabil ist, ob es reicht". Auch Nahles hielt es für möglich, dass eine dritte Runde notwendig wird.
Seehofer hält dritte Sondierungsrunde für denkbar
Seehofer äußerte sich erneut skeptisch zu Schwarz-Grün: "Ich kann nicht vier Jahre durchs Land laufen und sagen, das ist ein schönes Experiment." Die CSU-Spitze werde in einer Telefonkonferenz am Mittwoch oder Donnerstag entscheiden, ob sie lieber mit der SPD oder den Grünen über eine Koalition verhandeln will. Auf die Frage, ob mit SPD und Grünen noch jeweils dritte Sondierungsrunden denkbar seien, antwortete er mit "Ja".
Grüne vor der zweiten Sondierungsrunde: Entschlossen, aber skeptisch
Die Grünen zeigen sich vor der zweiten schwarz-grünen Sondierungsrunde zu ernsten Gesprächen entschlossen, aber wenig optimistisch. Zugleich wurden Stimmen laut, bereits aktuell oder bei nächster Gelegenheit auch Gespräche über Rot-Rot-Grün zu führen. Der Verlauf der schwarz-grünen Gespräche kann sich nach Einschätzung des hessischen Grünen-Chefs Tarek Al-Wazir auch auf die Regierungsbildung in seinem Bundesland auswirken.
Der Spitzenkandidat vom Bundestagswahlkampf, Jürgen Trittin, sagte am Montag in Berlin: "Wir haben uns vorgenommen, dass wir auch die noch ausstehenden Themen behandeln werden." Die Bürger hätten einen Anspruch zu erfahren, "warum etwas geht oder warum etwas nicht geht".
In dem Gespräch mit der Union am Donnerstag habe es keine so große Annäherung gegeben, dass Schwarz-Grün wahrscheinlich erscheine. "Die erste Runde hat mich da nicht optimistischer gestimmt."
Parteilinke setzen sich für rot-rot-grüne Sondierungen ein
Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sagte, sie gehe offen in das Treffen an diesem Dienstag und warte auf Vorschläge der Union etwa zu den Themen CO2-Ausstoß oder Migration. Sondieren sei inhaltliches Abtasten, aber keine Koalitionsverhandlungen, betonte die scheidende Parteichefin Claudia Roth. Die Grünen machten sich nun nicht kompatibel für irgendwelche Partner von der CDU oder CSU.
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Parteilinke wollen per eigenem Antrag auf dem Grünen-Parteitag am Wochenende für rot-rot-grüne Sondierungen eintreten. "Es wäre falsch, in vier Jahren wieder nur die eine Option Rot-Grün zu haben", sagte Parteiratsmitglied Gesine Agena. "Es steht aber auch jetzt noch an, miteinander zu sprechen", ergänzte Parteiratsmitglied Rasmus Andresen. Agena: "Thematisch gibt es große Schnittmengen."
Themen für schwarz-grüne Sondierung schon festgelegt
Die linken Grünen sähen aber, dass Rot-Rot-Grün derzeit für die SPD keine Option sei. Die Abgeordnete Bärbel Höhn sprach von einem Fehler der SPD, nicht auch mit den Linken zu reden. Trittin sagte: "Solange die SPD sich weigert, das zu tun, kann man freundlich Kaffee trinken mit Gregor Gysi, aber das wäre noch keine Sondierung."
CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe und sein CSU-Kollege Alexander Dobrindt legten laut "Bild"-Zeitung am Sonntagabend mit Grünen-Chef Cem Özdemir Themen für das schwarz-grüne Gespräch am Dienstag fest. Die Union will demnach auch mit den Grünen über die Komplexe Europa, Finanzen, demografischer Wandel, Föderalismusreform, Wirtschaft, innere Sicherheit und Außenpolitik reden.
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Laut "Leipziger Volkszeitung" wollten Gröhe und Dobrindt zudem ein Angebot zur Begrenzung von Leih- und Zeitarbeit, zu einer Solidarrente und zur Einführung von flächendeckenden Mindestlöhnen erarbeiten.
SPD: Länder sollen über Betreuungsgeld entscheiden
Die SPD ist laut "Spiegel" bereit, von ihrer Forderung nach Abschaffung des Betreuungsgeldes abzurücken: Sie wolle für ein Modell werben, wonach die Länder mit Hilfe einer Öffnungsklausel selbst entscheiden können, ob sie die Leistung auszahlen wollen oder nicht.
Die Union wird im Laufe der Woche entscheiden, mit wem sie Koalitionsverhandlungen aufnehmen will. Bei der SPD würde darüber ein Konvent am Sonntag und bei den Grünen ein Parteitag am Wochenende abstimmen. (dpa)