Die schwierigen Koalitionssondierungen schieben Hannelore Kraft zusehends in die Rolle der „Madame Nö“ von der Ruhr. Es ist die NRW-Ministerpräsidentin, die in den Gesprächen über eine Große Koalition die Probleme beim Namen nennt und das Scheitern weniger fürchtet als den Verlust der sozialdemokratischen Identität.
Kraft nimmt gewiss eine strategische Rolle ein. Anders als Gabriel, Steinmeier oder Scholz, die schon bei Merkel am Kabinettstisch saßen und viele Unterhändler der Union lange kennen und duzen, kann sie glaubwürdig auf Distanz bleiben.
Doch Krafts demonstrative Skepsis und die Heftigkeit, mit der sie sich Provokationen eines CSU-Dobrindt verbittet, sind mehr als taktisches Geplänkel. Kraft fühlt sich als Anwältin der SPD-Basis und der handfesten Finanzinteressen der Länder. Da sie nichts werden will, macht sie das zu einer unangenehm entschlossenen Verhandlerin. Ohne nennenswerte Erfolge bei zentralen Anliegen, so viel scheint sicher, wird sie ihre Popularität nicht für ein Bündnis mit der Union in die Waagschale werfen.
Ohne Risiko ist der Poker für Kraft keineswegs. Sollte es nicht zu der von der Mehrheit der Deutschen gewünschten Regierung kommen, wird man ihr Mangel an staatspolitischer Verantwortung vorwerfen. Bei Neuwahlen könnte Kraft zudem dorthin gerufen werden, wo sie am liebsten schnell wieder weg will: nach Berlin.