Berlin. . Nachdem besonders aus den USA und Großbritannien ein militärisches Einschreiten als Antwort auf den Giftgas-Anschlag als unvermeidbar dargestellt wurde, zieht sich der Westen nun spürbar zurück: Ein Militäreinsatz bleibt weiterhin unbeschlossene Sache. Zumindest verbal scheinen die westlichen Mächte abgerüstet zu haben.
Den starken Worten und Drohungen an die Adresse des syrischen Despoten Assad folgt die verbale Abrüstung. Schien der Militäreinsatz des Westens gegen das Regime in Damaskus eben noch unaufhaltbar, lassen die Regierungen in den USA und in Großbritannien nun Absetzbewegungen von ihrer bisherigen Haltung erkennen.
Alles nur ein Missverständnis, also? Eine Reise an die Orte der Handlung.
Washington, Weißes Haus
US-Präsident Barack Obama betont mehrfach zu einem möglichen Syrien-Einsatz: „Ich habe noch keine Entscheidung getroffen.“ Das klingt vorsichtig, jedenfalls erheblich zurückhaltender als der emotionale und wortgewaltige Auftritt seines Außenministers John Kerry zwei Tage zuvor.
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Das von der Obama-Regierung erzeugte Bild einer auf wenige Tage begrenzbaren, gezielten Militär-Operation löst fast durchweg Skepsis aus. Dahinter steht auch die Befürchtung, Assads Antwort könnte im instabilen Nahen Osten eine Kettenreaktion auslösen, von der Israel, die Türkei und der US-Rivale Iran betroffen wären.
Obama sieht sich der Forderung von mehr als hundert Abgeordneten des Repräsentantenhauses gegenüber, vor einem Militärschlag die Zustimmung der Volksvertreter einzuholen. Am Dienstag bricht Obama aber planmäßig bereits zum G20-Gipfel in St. Petersburg auf. Dass er von russischem Boden den Schlag gegen Syrien verkünden wird, ist schwer vorstellbar.
London, Unterhaus
Der britische Premierminister David Cameron schließt einen Angriff auf Syrien ohne internationale Rückendeckung aus. „Es wäre undenkbar voranzuschreiten, wenn es im UN-Sicherheitsrat überwältigenden Widerstand gäbe“, sagt der Regierungschef. In den Tagen zuvor hatte Camerons Regierung noch den Eindruck erweckt, der Militärschlag gegen Assads Armee stehe unmittelbar bevor – wenn nötig auch ohne Mandat der Vereinten Nationen.
Nun ist eine Parlamentsentscheidung in London auf Basis der Befunde der UN-Inspekteure, die in Syrien den Giftgasanschlag untersuchen, nicht vor Anfang nächster Woche zu erwarten.
Berlin, Kanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel telefoniert mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin. Der Kreml-Chef hält dem Syrer Assad stur die Treue, ohne den Verbündeten in Moskau könnte sich der Despot kaum mehr halten. Laut ihrem Sprecher Steffen Seibert stimmt Merkel mit Putin überein, dass der Konflikt nur politisch gelöst werden könne. Merkel wirbt in dem Telefonat dafür, „die Verhandlungen im UN-Sicherheitsrat für eine schnelle, einmütige, internationale Reaktion zu nutzen“.
Paris, Élyséepalast
Frankreichs Staatspräsident François Hollande spricht nun jenseits möglicher Reaktionen die Notwendigkeit einer „politischen Lösung“ an. Er setzt dabei auf die oppositionelle Nationale Syrische Koalition als Partner.
Nach dem offensiven militärischen Vorgehen in Mali zu Jahresbeginn agiert Hollande in Sachen Syrien vergleichsweise zurückhaltend. Die Bilder, als vor zwei Jahren Hollandes Amtsvorgänger Nicolas Sarkozy Hand in Hand mit dem Briten Cameron im libyschen Bengasi den Sieg über das Gaddafi-Regime feierte, sind noch in guter Erinnerung – Libyen gilt heute wieder als Problemfall.