London/Washington/Damaskus. Die Sitzung des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ist am Mittwoch ohne Beratungen über eine Syrien-Resolution zu Ende gegangen. Großbritannien hat angekündigt, eine entsprechende Resolution einzubringen. Deutschlands Außenminister glaubt nicht mehr an eine politische Lösung.

Eine mit Spannung erwartete Sitzung des UN-Sicherheitsrats ist ohne Beratungen über eine von Großbritannien vorgeschlagene Syrien-Resolution zu Ende gegangen. Das Gremium widmete sich bei dem Treffen am Mittwoch in New York nur dem offiziellen Tagesordnungspunkt, dem UN-Einsatz in Haiti. Großbritannien hatte zuvor angekündigt, den Entwurf für eine Resolution einzureichen, der "alle notwendige Maßnahmen zum Schutz von Zivilisten vor Chemiewaffen" in Syrien erlaubt. Das würde Luftangriffe einschließen.

Die fünf vetoberechtigten Mitglieder des Gremiums - Großbritannien, Frankreich, China, Russland und die USA - hatten sich allerdings auf Einladung der Briten vor der Sitzung hinter verschlossenen Türen separat getroffen und über die Situation in Syrien und den Resolutionsentwurf gesprochen. Dabei habe Russland seine ablehnenden Haltung betont, hieß es. Es sei noch zu früh für eine solche Resolution. Der Entwurf wurde schließlich nicht bereits am Mittwoch in den Sicherheitsrat eingebracht, wie zuvor erwartet worden war.

UN-Waffeninspekteure untersuchen Lage offenbar weiter

Wann nun - und ob überhaupt - über das Papier beraten werden kann, war zunächst unklar. Für Mittwochnachmittag (Ortszeit) stand keine weitere Sitzung des Sicherheitsrats an. Am Donnerstagvormittag wollte das Gremium laut Planung über die UN-Mission im Libanon beraten. Eine Sondersitzung des Rats kann allerdings jederzeit einberufen werden. Das Gremium ist seit Beginn des Syrien-Konfliktes vor rund zweieinhalb Jahren quasi handlungsunfähig, weil Russland und China die Forderungen der Westmächte mit ihrem Veto blockieren.

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UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon erklärte außerdem in Den Haag, die UN-Waffeninspekteure bräuchten vier weitere Tage, um ihre Untersuchungen über den vermuteten Einsatz von Chemie-Waffen in einem Vorort von Damaskus abzuschließen. Zudem rief der französische Präsident Francois Hollande eine Sondersitzung des Parlaments zur Lage in Syrien erst für den 4. September ein. Russland pocht darauf, dass der UN-Sicherheitsrat zunächst den Bericht der UN-Waffeninspektoren abwartet, bevor über Maßnahmen gegen Syrien beraten wird. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht zunächst den Sicherheitsrat am Zug.

Die USA erwägen Angriffe mit Marschflugkörpern gegen syrische Ziele. US-Präsident Barack Obama habe aber noch keine Entscheidung getroffen, sagte sein Sprecher. Die syrische Regierung kündigte an, sich gegen einen Militärschlag zu wehren. "Wir haben die Möglichkeiten, uns zu verteidigen, und wir werden sie mit diesen überraschen, falls nötig", sagte Außenminister Walid al-Mualem. "Wir werden nicht zögern, alle möglichen Mittel einzusetzen." Sein Stellvertreter Faisal Maqdad warf den USA, Großbritannien und Frankreich vor, Terroristen beim Einsatz des Giftgases geholfen zu haben.

US-Vizepräsident Joe Biden macht Druck auf Syrien

Am Dienstag hatten mehrere Hinweise auf einen unmittelbar bevorstehenden Militärschlag hingedeutet. Bei einem Treffen der oppositionellen Syrischen Nationalkoalition mit Vertretern von elf Ländern sei ein Militärschlag binnen weniger Tage angekündigt worden, hatte ein Teilnehmer der Nachrichtenagentur Reuters gesagt. Vor einem Angriff wird zunächst aber die Veröffentlichung eines US-Geheimdienstberichts erwartet, aus dem hervorgehen dürfte, dass die Regierung in Damaskus für den Angriff verantwortlich ist. Damit ist nach Angaben eines US-Regierungsvertreters noch in dieser Woche zu rechnen. "Die Uhr tickt, und die Regierung wird sie nicht zu lange ticken lassen", sagte Adam Schiff, demokratisches Mitglied des Geheimdienstausschusses im US-Repräsentantenhaus.

Druck machte auch US-Vize-Präsident Joe Biden, für den bereits ausgemacht ist, dass es Gasangriffe gegeben hat und dass Assad diese angeordnet hat. "Es gibt keinen Zweifel daran, wer für diesen abscheulichen Einsatz von Chemiewaffen verantwortlich ist: Das syrische Regime", erklärte Biden am Dienstagabend. Wer wehrlose Männer, Frauen und Kinder mit Chemiewaffen angreife, müsse zur Verantwortung gezogen werden. Es gilt aber als wahrscheinlich, dass die USA einen Militärschlag mit Großbritannien und Frankreich abstimmen würden. Zudem fordern viele westliche Staaten wie auch Deutschland, dass erst die UN den Fall beraten müssen, bevor irgendwelche Maßnahmen ergriffen werden.

Vetomächte Russland und China lehnen Militärschlag bislang ab

Der stellvertretende Außenminister Waldimir Titow wandte sich nach einem Bericht der Nachrichtenagentur Interfax gegen den Plan Großbritanniens, schon in Kürze im Sicherheitsrat über einen Resolutionsentwurf abstimmen zu lassen. Erst müssten die Berichte der UN-Waffeninspektoren vorliegen. Zuvor hatte Premierminister David Cameron einen Entwurf angekündigt, in dem die Angriffe Assad zugeschrieben und "notwendige Maßnahmen" gefordert werden. Für Donnerstag berief Cameron das Parlament in London ein, um über das Thema zu beraten. Die Vetomächte Russland und China lehnen einen Militärschlag bislang ab.

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Die USA machten deutlich, dass es bei einem Militärschlag gegen Syrien nicht darum gehe, die Regierung von Assad zu stürzen. "Es geht um eine Antwort auf eine klare Verletzung internationaler Standards, die den Einsatz chemischer Waffen verbieten", erläuterte US-Präsidentensprecher Jay Carney. Australien kündigte an, die USA auch ohne Mandat der Vereinten Nationen unterstützen zu wollen.

Merkel pocht auf UN-Beschluss zu Syrien

Merkel pochte darauf, dass etwaige Syrien-Maßnahmen von den Vereinten Nationen beschlossen werden. "Das gehört in den UN-Sicherheitsrat", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. Wie Außenminister Guido Westerwelle bekräftigte er aber auch, dass es Konsequenzen aus dem Giftgasangriff geben müsse. Auch die Nato-Botschafter sprachen von einem inakzeptablen Einsatz chemischer Waffen, der nicht unbeantwortet bleiben dürfe. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen erklärte, mehrere Quellen stimmten darin überein, dass der Gasangriff von Assads Truppen ausgeführt worden sei.

Der Iran, der an der Seite Assads steht, warnte wie Russland vor Folgen weit über die syrischen Landesgrenzen hinaus, sollten westliche Staaten die syrische Armee angreifen. "Eine Intervention von Amerika wird in ein Desaster für die gesamte Region münden", sagte das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei nach einem Bericht der staatlichen iranischen Nachrichtenagentur INSA. Israel verlegte nach einem Bericht des Armee-Rundfunks alle Abwehrraketen an die Landesgrenzen, um sich vor möglichen Vergeltungsschlägen aus Syrien schützen zu können.

Chemiewaffenexperten der UNO sind noch in Syrien

Derzeit befinden sich Chemiewaffenexperten der Vereinten Nationen in Damaskus, um den mutmaßlichen Angriff zu untersuchen, bei dem am Mittwoch vergangener Woche nach Rebellenangaben Hunderte Menschen starben. Sie fuhren am Mittwoch ein zweites Mal in die Vororte der Hauptstadt, die nach Oppositionsangaben mit Raketen beschossen worden waren, die mit dem Nervengas Sarin oder ähnlichem bestückt waren. (rtr)