Kairo. . Iran und Syrien sind seit vielen Jahren enge Verbündete. Wie der Machthaber in Damaskus auf einen möglichen Militärschlag des Westens reagiert könnte, hängt auch von Teheran ab. Irans neue Regierung hat „jeglichen Einsatz von Giftgas“ in Syrien „absolut und entschieden“ verurteilt. Zugleich gibt es erste Gespräche mit US-Diplomaten.
Für für die Regierung in Teheran steht viel auf dem Spiel. Der Giftgasangriff in Syrien zwingt den neuen Präsidenten Hassan Ruhani zu einer Gratwanderung. Seit mehr als 30 Jahren ist Syrien der engste Verbündete der Islamischen Republik in der arabischen Welt, ein Pakt, der bis in die Zeiten des irakisch-iranischen Krieges zurückreicht.
Damals in den 1980er Jahren war die iranische Bevölkerung, mit stillschweigender Billigung Washingtons, selbst Opfer von Giftgasangriffen durch Saddam Hussein. Mehr als 100.000 Soldaten und Zivilisten erlebten diesen Horror, Tausende starben, nach Angaben der Veteranenverbände leiden noch 48 400 Iraner an den Spätfolgen der irakischen Nervengase.
Iran verurteilt den Giftgas-Einsatz
„Wir verurteilen absolut und entschieden jeglichen Einsatz von Chemiewaffen in Syrien“, twitterte Hassan Ruhani und rief die internationale Gemeinschaft auf, sie müsse alles in ihrer Macht stehende tun, „um den Einsatz solcher Waffen zu unterbinden“.
Dagegen erklärte der Oberste Revolutionsführer Ali Khamenei, jede Intervention der USA in der Region werde in einer Katastrophe münden, ließ aber auch über Twitter das Foto eines iranischen Giftgasopfers verbreiten. Denn die Führung weiß: Ihre Treue zum syrischen Machthaber Assad wird in der eigenen Bevölkerung immer unpopulärer. In der politischen Umgebung von Ruhani räumt man offen ein, Syrien sei ein Haupthindernis für die angestrebte Neujustierung der iranischen Politik.
Leise Anzeichen von Entspannung
Denn der Präsident will nicht nur den autoritären Druck im Inneren lockern, sondern auch das Verhältnis zu den USA und Europa sowie zur Türkei und Saudi-Arabien entspannen. Den USA bieten diese iranischen Ansinnen einen doppelten diplomatischen Nutzen – das Weiße Haus könnte das brisante Atomthema entspannen, Irans konstruktive Beteiligung an einer regionalen politischen Lösung für Syrien einwerben und so das momentan aussichtslos verkrampfte Verhältnis zu Russland teilweise umgehen.
Anfang der Woche reiste Omans Sultan Qabus an, ein alter Verbündeter des Iran in der Region, dessen Truppen er in den Wirren seiner ersten Thronjahre den Machterhalt verdankt. Nach Angaben seiner Umgebung hatte Qabus einen Vorschlag der USA für einen Atomkompromiss im Gepäck, den die Iraner sorgfältig zu prüfen versprachen.
Iran hat großen Einfluss auf Assad
Überraschend erschien auch Jeffrey Feltman in Teheran, UN-Vizegeneralsekretär für Politische Angelegenheiten und zuvor langjähriger Staatssekretär im US-Außenministerium. Feltman ist damit der erste US-Spitzendiplomat seit Jahren, der in Teheran mit der iranischen Führung zu direkten Gesprächen zusammentrifft.
Washington begleitete diese ungewöhnliche Premiere mit der Botschaft, Ziel einer möglichen militärischen Intervention sei es, den Einsatz von Giftgas zu ahnden, nicht aber das Assad-Regime zu stürzen. „Wir sind überzeugt, eine Lösung dieses Konflikts ist nur durch politische Verhandlungen möglich“, sagte Jay Carney, Sprecher von Präsident Obama.
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Und so versuchte Feltman vor allem auf zwei Dinge hinwirken – den Iran von einer kriegerischen Reaktion auf einen westlichen Militärschlag abzuhalten und sie für eine aktive Beteiligung an der zweiten Syrienkonferenz in Genf zu gewinnen. Der Iran habe durch seinen Einfluss eine wichtige Rolle und Verantwortung, die syrischen Kontrahenten an den Verhandlungstisch zu bringen, erklärte sein Sprecher.
Treuer Waffenkunde Russlands
Russland steht an der Seite Assads. Mit dem syrischen Regime unterhält Moskau seit Sowjetzeiten enge Kontakte. Die Geheimdienste arbeiten zusammen, zudem ist Syrien ein treuer Waffenkunde Russlands. Immer wieder betont der Kreml, dass das Riesenreich sich grundsätzlich nicht in die Belange anderer Staaten einmische. Die Syrer müssten den Konflikt allein lösen. Die UN-Vetomacht lehnt ein militärisches Engagement auch ab, um wirtschaftliche und geostrategische Vorteile in der Region nicht aufs Spiel zu setzen. So unterhält Russland im syrischen Hafen Tartus seine einzige Marinebasis im Mittelmeer.
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Zudem hat Moskau den Arabischen Frühling mit Skepsis begleitet und gewarnt, dass nach dem Sturz von Machthabern wie Mubarak in Ägypten oder Assad in Syrien religiöse Fanatiker die Macht ergreifen. Russland hat seine eigenen Erfahrungen mit den Extremisten im Nordkaukasus gemacht und sieht mit Sorge, dass auch der islamistische Terrorchef Umarow aus dem Nordkaukasus Kämpfer nach Syrien geschickt hat.
Hisbollah braucht Assads Waffen
Für die libanesische Hisbollah („Partei Gottes“), die hunderte Kämpfer zur Rückendeckung des Regimes nach Syrien schickte, wäre der Sturz des syrischen Machthabers Assad eine Katastrophe. „Die Hisbollah braucht ihn, um die Waffenlieferungen zu gewährleisten“, die der Iran via Syrien in den Libanon schickt, sagt Joram Schweizer, Antiterrorspezialist vom Tel Aviver Institut für Sicherheitsstudien. Die Hisbollah ist eine schiitische Bewegung, ebenso ist der Iran, der die Hisbollah vor allem mit Waffen unterstützt, mehrheitlich schiitisch. Beide würden es ungern erleben, „wenn Syrien in sunnitische Hände fällt“.
Ob die Hisbollah sich als Rächerin Assads hergibt und im Norden Israels eine neue Front eröffnet, ist ungewiss. Über etwa 70.000 Raketen, so schätzen Experten, verfügen die Milizen. Sie sind aber für den Fall gedacht, dass Israel iranische Atomanlagen bombardiert.
Israel rechnet aber mit dem Schlimmsten. Die Raketenabwehr wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt. Zudem gibt einen Ansturm auf Gasmasken.