Washington/London/Damaskus. Die USA drücken bei ihren Planungen für einen Militärschlag gegen Machthaber Assad aufs Tempo - erklären aber deutlich, dass es nur um eine Antwort auf den mutmaßlichen Giftgas-Angriff gehe, nicht um einen Sturz Assads. Damaskus droht, es werde sich verteidigen und kündigte Überraschungen an.
Die USA, Großbritannien und Frankreich sind bereit für einen Militärschlag gegen Syriens Machthaber Baschar al-Assad. Alle drei Staaten und die Arabische Liga beschuldigen das Regime in Damaskus, mit dem Einsatz von Giftgas Hunderte Menschen bei Damaskus getötet zu haben, darunter zahlreiche Kinder. Die US- Regierung hat nach eigenen Angaben keine echten Zweifel an der Verantwortung des syrischen Regimes für den Chemiewaffenangriff in der vergangenen Woche. Der Sender NBC berichtete, die Raketenangriffe auf Ziele in Syrien könnten bereits an diesem Donnerstag beginnen.
Noch diese Woche sei mit der Veröffentlichung der Geheimdiensterkenntnisse zu dem Vorfall zu rechnen, sagte Regierungssprecher Jay Carney am Dienstag in Washington. US-Präsident Barack Obama berate derzeit mit seinem Nationalen Sicherheitsteam, dem Kongress und Alliierten über eine Antwort auf diese "eklatante Verletzung internationaler Normen". Noch sei eine Entscheidung aber nicht gefallen. Aber "es muss eine Antwort geben", sagte Carney.
Syrien-Konflikt zu lösen ist für USA und Großbritannien nicht das Ziel
Carney bekräftigte, dass Obama den Einsatz von Bodentruppen ablehne, sonst aber alle Optionen - auch nicht-militärische - weiter in Betracht gezogen würden. Er betonte zudem, dass die Reaktion nicht darauf abziele, einen Regimewechsel in Syrien herbeizuführen. "Die Optionen, die wir erwägen, drehen sich nicht um einen Regimewechsel", sagte Carney in Washington. "Es geht um eine Antwort auf eine klare Verletzung internationaler Standards, die den Einsatz chemischer Waffen verbieten." Carney fügte hinzu: "Die Lösung dieses Konfliktes muss durch politische Verhandlungen und Ergebnisse erfolgen."
Auch interessant
Auch der britische Regierungschef David Cameron und sein Stellvertreter Nick Clegg betonten, dass mögliche militärische Schritte gegen Syrien mit dem vermuteten Einsatz von Chemiewaffen durch das Regime zusammenhängen. Clegg betonte, es gehe nicht darum, die syrische Regierung zu stürzen oder den Syrien-Konflikt zu lösen. Es gehe darum, "legale, konkrete und verhältnismäßige Maßnahmen zu ergreifen, die ein Signal senden, dass der Einsatz von Chemiewaffen heutzutage unhaltbar ist."
Assad-Regime kündigte an, es werde sich verteidigen
Das US-Militär habe alles vorbereitet, um entsprechend reagieren zu können, sollte sich Präsident Obama dafür entscheiden, sagte US-Verteidigungsminister Chuck Hagel dem britischen Sender BBC. Das Assad-Regime kündigte an, es werde sich verteidigen. "Wir sind kein Häppchen, das man so einfach verspeisen kann. Wir werden die anderen überraschen", drohte Außenminister Walid al-Muallim. Die syrische Exil-Opposition wurde nach eigenen Angaben über einen bevorstehenden Militärschlag gegen das Regime informiert.
NBC berichtete weiter, die Angriffe würden sich über drei Tage erstrecken und seien in ihrem Umfang begrenzt. Das hätten namentlich nicht genannte ranghohe Regierungsbeamte in Washington mitgeteilt, meldete der Sender. Nach Informationen der "Washington Post" würde das US-Militär Marschflugkörper von Kriegsschiffen abfeuern, die jetzt schon im Mittelmeer kreuzen, oder Langstreckenbomber einsetzen.
Frankreichs Präsident Hollande sieht Weltfrieden bedroht
Die USA können offenbar auf die Hilfe von Staaten wie Frankreich, Großbritannien und die Türkei bauen. In London wurde das Parlament für eine Sondersitzung am Donnerstag aus dem Urlaub geholt. Frankreichs Präsident François Hollande warnte: Der Bürgerkrieg in Syrien "bedroht jetzt den Weltfrieden". Es deute alles darauf hin, dass das Regime in Damaskus "diese verabscheuungswürdige Tat" begangen habe. Frankreich sei bereit, die Verantwortlichen zu bestrafen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich die Entscheidung über eine deutsche Beteiligung weiter offen.
Auch interessant
Auch die Arabische Liga gab dem Regime in Damaskus die Schuld an den Attacken, der Rat der Liga verurteilte "dieses abscheuliche Verbrechen". Gleichzeitig forderte er die Mitglieder des UN-Sicherheitsrates auf, "ihre Differenzen beizulegen, damit eindeutige Maßnahmen ergriffen werden können, die den Menschenrechtsverletzungen und dem Völkermord durch das syrische Regime ein Ende setzen". Das UN-Team aus Chemiewaffen-Experten, das die Vorwürfe in der Nähe von Damaskus untersuchen soll, musste seine Arbeit wegen der angespannten Sicherheitslage unterbrechen.
Russland warnt mit scharfen Worten vor Militärschlag
Israel ist nach den Worten von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf alle Szenarien vorbereitet. "Wir sind nicht Teil des Bürgerkriegs in Syrien, aber wenn wir irgendeinen Versuch identifizieren, uns anzugreifen, werden wir mit aller Härte reagieren", sagte Netanjahu in Tel Aviv.
Auch interessant
Syriens Schutzmacht Russland, die ein gemeinsames Vorgehen der Staatengemeinschaft im UN-Sicherheitsrat immer wieder blockiert hatte, warnte mit scharfen Worten vor einem Militärschlag. Auch nach Ansicht des Irans würde ein Angriff gegen Syrien ein Chaos im gesamten Nahen Osten auslösen.
Die Bundesregierung erklärte sich erneut zu "Konsequenzen" bereit, falls sich die Giftgas-Vorwürfe gegen Assad bestätigen. An der Grenze zwischen der Türkei und Syrien stehen 300 Bundeswehr-Soldaten mit Patriot-Abwehrraketen im Einsatz. Im Mittelmeer kreuzen deutsche Militärschiffe, darunter das Flottendienstboot "Oker" mit modernster Aufklärungstechnik. Spekuliert wird auch über den Einsatz von deutschen Soldaten in Awacs-Aufklärungsflugzeugen der Nato.
Bei einem Treffen in Jordanien verständigten sich führende Militärs aus zehn westlichen und arabischen Staaten darauf, dass ein möglicher Angriff auf Syrien nur begrenzte Ziele verfolgen sollte. An den Gesprächen nahm auch der Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, teil.
Mehr als zwei Drittel der Bundesbürger lehnen einen internationalen Militärschlag gegen Syrien ab. In einer repräsentativen Umfrage für das Magazin "Stern" sprachen sich 69 Prozent der Befragten dagegen aus. Nur 23 Prozent waren dafür. (dpa/rtr)