Washington. . US-Präsident Barack Obama rüstet sich für einen Militärschlag gegen das Assad-Regime in Syrien und scheut doch den Ernstfall. Gründe für beide Optionen gibt es genug. Die wichtigsten Fragen und Antworten zur politischen Lage in Syrien.

„Speak softly and carry a big stick – Sprich sanft und trage einen großen Knüppel, dann wirst du weit kommen.“ So hat US-Präsident Theodore Roosevelt einst amerikanische Außenpolitik umschrieben. Barack Obama macht es anders. Nach den jüngsten Giftgas-Meldungen aus Syrien lässt er öffentlich bemerkbar Pläne für ein militärisches Eingreifen gegen das Assad-Regime ausarbeiten und einen vierten Zerstörer im Mittelmeer auf Patrouille gehen. Gleichzeitig legt Obama die Latte für einen Angriff immer höher.

Wie passt das zusammen?

Obama hat sich bereits vor einem Jahr stark unter Zugzwang gesetzt. Ein Giftgas-Einsatz der Assad-Truppen sei gleichbedeutend mit dem Überschreiten einer „roten Linie“. Diese Linie wurde bereits im Juni gerissen, als 150 Menschen durch Giftgas aus Assad-Beständen getötet wurden. Diesmal ist die Zahl der Opfer mutmaßlich viel höher.

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Obama musste zumindest rhetorisch reagieren. Trotzdem bremst der Präsident im gleichen Atemzug die Ambitionen. Von „roten Linien“ spricht er lieber gar nicht mehr.

Was würde denn überhaupt militärisch angegriffen – und wie?

Start- und Landebahnen der Luftwaffe. Die Flugabwehr-Geschütze der syrischen Armee, wichtige militärische Versorgungszentren. Um eine Invasion am Boden zu vermeiden, würden die Raketen von den schwimmenden US-Militärbasen im Mittelmeer aus Richtung Damaskus abgefeuert.

Welche Gegen-Argumente liefert Obama?

Zunächst verlangt der Präsident wasserdichte Beweise für die verbreitete Annahme, dass tatsächlich Assads Truppen für die Giftattacke verantwortlich sind. Das Regime streitet die Vorwürfe ab und gibt den Aufständischen die Schuld am Tod von mehr als 1000 Menschen. Gestern hat Assad zwar der UN Zutritt zu den Orten gewährt, an denen Giftgas eingesetzt worden sein soll.

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Doch das Assad-Regime behält sich vor, Datum und die Uhrzeit für diesen Besuch festzulegen. Der Ausgang ist also völlig offen.

Warum wird ein Militäreinsatz ohne grünes Licht des Sicherheitsrates der UN abgelehnt?

Obama scheut die Kollateralschäden. Russland und China, die seit Beginn des syrischen Bürgerkrieges mehr oder weniger fest an der Seite Assads stehen, könnten ihre Veto-Macht noch rücksichtsloser einsetzen und auch auf anderen politischen Feldern auf Konfrontationskurs gehen.

Was sagen Obamas Militärs?

Generalstabschef Martin Dempsey ist seit Monaten der Chef-Skeptiker. Er befürchtet auf Sicht Zigtausende Soldaten im Nahen Osten und Kosten von einer Milliarde Dollar am Tag. Und das alles, selbst im Falle eines wahrscheinlichen militärischen Sieges gegen Assad, mit ungewissem Ausgang.

Wieso ungewiss?

Dempsey und Obama sehen den Konflikt in Syrien vor allem als einen innerislamischen Streit zwischen zwei Glaubensrichtungen, den Schiiten und Sunniten, der mit Militärgewalt nicht zu lösen sei. Weil Vertreter beider Richtungen in angrenzenden Staaten sitzen und ihre jeweiligen „Glaubensbrüder“ nach Kräften unterstützen, könnte Amerika in Syrien einen zweiten Irak erleben.

Dort brach nach dem Abzug der US-Truppen der Jahrhunderte alte Kampf der Glaubensgemeinschaften neu aus. Zudem bestehe die Gefahr, dass nach der Absetzung Assads Terrornetzwerke vom Schlage Al-Kaidas eine zentrale Rolle in Syrien übernehmen. In Washington hat man registriert, dass Syrien selbstbewusst vor einem militärischen Eingreifen warnt. Begründung: Dies könne die ganze Region „in Flammen setzen“. Gemeint sind Israel, Ägypten und – sehr wichtig – der Iran, der bereits den USA im Falle eines Angriffs mit „ernsthaften Konsequenzen“ drohte.