New York/Seoul. Rund eine Million Kinder sind vor der Gewalt in Syrien ins Ausland geflohen: Diese Zahl haben die Vereinten Nationen am Freitag bekannt gegeben. Weitere zwei Millionen Kinder seien mit ihren Familien innerhalb des Landes auf der Flucht, schätzen Experten. Unterdessen forderte der UN-Generalsekretär ernsthafte Konsequenzen, falls tatsächlich Chemiewaffen in Syrien eingesetzt wurden.

Seit Ausbruch des Syrien-Konflikts sind nach Angaben der Vereinten Nationen mittlerweile eine Million Kinder vor der Gewalt ins Ausland geflüchtet. Minderjährige machten damit die Hälfte aller syrischen Flüchtlinge aus, teilten das Kinderhilfswerk Unicef und das Flüchtlingskommissariat UNHCR am Freitag mit. Mehr als 740.000 Flüchtlinge seien unter elf Jahren.

Die Zahl der Kinder, die zusätzlich innerhalb Syriens als sogenannte Binnenvertriebene auf der Flucht seien, schätzten die Organisationen auf mehr als zwei Millionen. Rund 7000 Kinder seien während des seit zweieinhalb Jahren anhaltenden Aufstands gegen die Herrschaft von Präsident Baschar al-Assad getötet worden.

Die meisten Kinder flohen den Angaben nach in den Libanon, nach Jordanien, in die Türkei, in den Irak und nach Ägypten. Immer mehr kämen aber auch nach Nordafrika und Europa, teilten die Organisationen mit.

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Flüchtlingskinder seien körperlichen Strapazen, Angst, Stress und Traumata ausgeliefert, ihnen drohten Kinderarbeit, Zwangsheirat, sexuelle Ausbeutung und Menschenhandel, teilten die Hilfsorganisationen mit. "Die Jugend Syriens verliert ihre Heimat, ihre Familien, ihre Zukunft", erklärte UN-Flüchtlingskommissar Antonio Guterres.

Ban warnt nach mutmaßlichem Chemiewaffeneinsatz in Syrien vor Folgen

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat ernsthafte Konsequenzen für den Fall gefordert, dass sich der Einsatz von Chemiewaffen im Bürgerkrieg in Syrien nachweisen lässt. Mit großer Besorgnis habe er auf Berichte reagiert, chemische Waffen seien möglicherweise gegen die syrische Zivilbevölkerung benutzt worden, sagte Ban am Freitag am Rande eines Besuchs in seiner Heimat Südkorea. Die Nutzung solcher Waffen stellten "unter allen Umständen" eine Verletzung des internationalen Rechts dar. "Solch ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit sollte ernste Folgen für die Täter haben."

Er habe seine Abrüstungsbeauftragte Angela Kane beauftragt, sofort nach Damaskus zu reisen, um die Berichte zu untersuchen, sagte Ban. Es dürfe keine Zeit vergeudet werden. Der Weltsicherheitsrat habe seinen Aufruf zu einer "gründlichen, unabhängigen und raschen Untersuchung" unterstützt. In der Nähe von Damaskus sollen nach Rebellenangaben am Mittwoch Hunderte Menschen mit Giftgas der Regierungstruppen getötet worden sein. Die Regierung bestreitet das.

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Die Bundesregierung hat zusammen mit 30 weiteren Staaten eine Ausweitung des Mandats der UN-Inspekteure zu möglichen Giftgasangriffen in Syrien gefordert. Außenminister Guido Westerwelle habe sich nachdrücklich dafür eingesetzt, dass diese Vorwürfe umgehend und umfassend aufgeklärt würden, sagte ein Sprecher am Freitag in Berlin. Die Vorwürfe richteten sich dabei in erster Linie an die Adresse der syrischen Führung. Regierungssprecher Steffen Seibert unterstrich, dass die seit längerem geplante Syrien-Konferenz in Genf beim bevorstehenden Gipfel der 20 stärksten Wirtschaftsnationen (G20) Anfang September in St. Petersburg erneut ein Thema sein dürfte.

US-Senator McCain fordert Obama zum Handeln in Syrien auf 

Der einflussreiche US-Senator John McCain hat Präsident Barack Obama zur militärischen Intervention in Syrien aufgerufen. Nach dem mutmaßlichen Giftgaseinsatz dürfe Washington nicht länger zögern. Die USA seien in der Lage, durch Raketen die 40 bis 50 im Bürgerkrieg eingesetzten Flugzeuge der syrischen Streitkräfte zu zerstören, sagte der frühere republikanische Präsidentschaftsbewerber in einem Interview des TV-Senders CNN am Donnerstag. Ein Militäreinsatz wäre daher mit "geringen Kosten" verbunden, US-Soldaten würden nicht gefährdet.

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Von Christopher Onkelbach

Dagegen beurteilt die US-Regierung die Lage deutlich zurückhaltender. Zwar meinte das State Department, ein Einsatz von Chemiewaffen wäre eine "empörende und abscheuliche Eskalation" im syrischen Bürgerkrieg. Doch die Sprecherin des Außenministeriums, Jen Psaki, legte sich nicht fest, ob die Massenvernichtungswaffe tatsächlich eingesetzt wurde. Sie bekräftigte die US-Forderung nach einer internationalen Überprüfung.

Mehrere Staaten verlangten ein hartes Vorgehen. Sollten die Angriffe bewiesen werden, sei mehr als eine internationale Verurteilung notwendig, sagte etwa Frankreichs Außenminister Laurent Fabius dem Sender BFM TV. Dann müsse es eine "Reaktion der Stärke" geben.

Assad-Regierung wird möglicherweise keine Überprüfung zulassen

Die Regierung in Damaskus streitet den Einsatz von Giftgas ab. Bislang ist unklar, ob Damaskus eine Überprüfung der Vorwürfe durch die Chemiewaffen-Experten zulassen wird.

Dagegen meinte McCain, er sei überzeugt, dass Berichte der syrischen Opposition zuträfen und das Assad-Regime Giftgas eingesetzt habe. McCain stellte die Frage, wann die USA dem syrischen Volk endlich zu Hilfe kommen wollten. "Man kann sich diese Bilder nicht anschauen, ohne tief bewegt zu sein. Wollen wir das einfach weitergehen lassen?"

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Der Senator fügte hinzu: "Wir können die Start- und Landebahnen zerstören und 40 oder 50 Flugzeuge zerstören", die die syrische Luftwaffe einsetze. Die Rebellen könnten mit Raketen versorgt werden, damit sie eine Flugverbotszone einrichten. Dies würde keinen einzigen US-Soldaten in Gefahr bringen, sagte McCain.

Obama habe in der Vergangenheit gesagt, ein Giftgaseinsatz sei eine "rote Linie". Wenn Obama jetzt nicht handele, könne das Wort des US-Präsidenten in der gesamten Region nicht mehr ernst genommen werden, warnte McCain.

Revolutionsaktivisten veröffentlichten am Donnerstag weitere Videoaufnahmen, auf denen tote Kinder zu sehen sind, die keine Spuren äußerlicher Verletzungen tragen. Die Organisation Syrischer Menschenrechtsbeobachter meldete, sie habe bislang 170 Todesopfer mit Namen identifizieren können. (rtr/dpa)