US-Präsident Barack Obama ist Opfer seiner eigenen Propaganda. Wer eine „rote Linie“ aufstellt, muss handeln, wenn sie verletzt wird. Obama prüft seine Optionen, kennt aber die Risiken, die militärischen wie die politischen.
US-Präsident Barack Obama ist Opfer seiner eigenen Propaganda. Wer eine „rote Linie“ aufstellt, muss handeln, wenn sie verletzt wird. Weil in Syrien chemische Waffen wohl eingesetzt wurden, lässt er alle militärischen Optionen prüfen und verstärkt die Flottenpräsenz im Mittelmeer. Das ist „nur“ eine Drohkulisse. Die Automatik des Militärischen ist aber unheimlich. Mag sein, dass die Waffen eingesetzt wurden. Aber lässt sich feststellen, von wem? Assad sind sie zuzutrauen. Und doch gibt es andere Kräfte, die daran interessiert sein könnten, die USA in den Konflikt zu verwickeln. Gibt es den ultimativen Beweis, den rauchenden Colt, wie die Amerikaner sagen? Oder haben die „Beweise“ dieselbe Güteklasse wie einst die Belege auf Atomwaffen im Irak?
Obama prüft seine Optionen, kennt aber die Risiken, die militärischen wie die politischen. Ein Alleingang wäre ein Verstoß gegen das Völkerrecht. Ein UN-Mandat bekommt er nicht. Russland und China sperren sich. Angela Merkel hat keine Optionen. Die Bundeswehr hat sich ohnehin überdehnt. Sie hat keine Kapazitäten frei. Ein Krieg ohne UN-Auftrag wäre verfassungswidrig. Selbst für einen Schlag mit einem UN-Mandat würde es weder im Volk noch im Bundestag eine Mehrheit geben. Heute würde Gerhard Schröders Satz, wonach Deutschland zu Risiken bereit sei, zu Abenteuern aber nicht, noch mehr Brisanz entfalten als 2001. Die Erfahrungen in Afghanistan, später im Irak sind ernüchternd. Auch das Eingreifen in Libyen trug nicht zu mehr Stabilität am Mittelmeer bei. In Syrien weiß der Westen nicht, woran er bei den Rebellen ist, wer nach Assad kommen würde, Islamisten?
Die Entwicklung ist unkalkulierbar: Die Amerikaner sind mit dem Finger am Abzug, ihr Draht nach Russland gerade nicht der allerbeste, die Türkei ist alarmiert. Innerhalb der EU ahnt man eine Doppelzüngigkeit voraus: Hier die Franzosen, die schon die Schuldigen gefunden habe, dort die Deutschen, die eine Untersuchung anmahnen. Merkel ist obendrein im Wahlkampf, vor Ende November ist keine Regierung handlungsfähig. Wer auch immer die Eskalation des Konflikts betreibt, wird wohl den Giftgas-Einsatz so lange wiederholen, bis Barack Obama losschlägt. Eine gruselige Vorstellung.