Berlin. . Es war eine Premiere: Erstmals hatte die Kanzlerin EU-Staats- und Regierungschefs, Arbeitsminister und die Chefs der nationalen Arbeitsverwaltungen gemeinsam zu Gast. Es war der 49. inhaltsleere Gipfel der Bundesregierung, wie die Opposition bissig bemerkte.

Es klang nach wundersamer Geldvermehrung: Die großen Zahlen flogen nur so durch den Raum: Sechs Milliarden, acht Milliarden, 24 Milliarden - und dann noch mal oben drauf dreimal sechs Milliarden Euro. Stolz präsentierten Kanzlerin Angela Merkel und Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) am Ende des Konferenz-Tages die Ergebnisse. Summen, mit denen die EU-Länder die Misere der Jugendarbeitslosigkeit endlich angehen wollen.

Bei Lichte betrachtet handelt es sich aber größtenteils nicht um neues Geld, sondern um Mittel, die schon länger eingeplant waren, aber nicht ausgegeben wurden. Etwa, weil die für Fördermaßnahmen erforderliche Ko-Finanzierung durch die Regierungen nicht klappte. Die im Berliner Kanzleramt angekündigten Gelder schlummerten also schon in den Schubladen.

"Wir haben heute ein großes Rad gedreht und Erwartungen geweckt, die wir auch erfüllen müssen", zog EU-Parlamentspräsident Martin Schulz Bilanz. Am Ende dürften die Mitgliedsländer aber nicht die EU verantwortlich machen, wenn sie mit der Lösung scheiterten. In die gleiche Kerbe hatte zuvor schon Merkel gehauen und die europäischen Partner zu mehr Engagement aufgerufen. Es sei mehr als nur Geld notwendig, um diese Krise zu meistern.

Merkel mochte keine Versprechungen machen

Merkel durfte zufrieden sein, denn auch Litauens Präsidentin Dalia Grybauskaité, deren Land seit 1. Juli die EU-Ratspräsidentschaft innehat, pflichtete der von der Kanzlerin vorgegebenen Linie bei: "Die Regierungen sind gefordert." Jedes Land müsse seinen Aktionsplan nun zusammenstellen. Im Herbst soll das überprüft werden: Bei der Folgekonferenz in Frankreich bei Staatspräsident François Hollande. Merkel lehnte es aber ab, Versprechungen zu machen, "die wir am Schluss nicht halten können".

Die EU stehe vor ihrer größten Herausforderung, umriss Schulz die Aufgabe. Denn die Gefahr ist groß, dass die Zeit davon läuft und viele junge Leute in Europa ganz einfach den Anschluss verlieren. 5,5 Millionen Menschen unter 25 Jahren sind ohne Arbeit oder Ausbildung, die meisten davon in Spanien, Portugal, Griechenland. Eine verlorene Generation können sich diese Länder, kann sich aber auch Europa nicht leisten.

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Vor dem Kanzleramt demonstrierten Gewerkschafter für eine andere Politik: "Europas Jugend braucht mehr als Merkels heiße Luft", war auf einem großen Transparent zu lesen. Und die Forderung nach mehr Geld: "Mittel nicht umschichten, sondern aufstocken."

Das Berliner Treffen - gekommen waren 17 der anderen 27 EU-Staats- und Regierungschefs - knüpfte an den EU-Gipfel von Brüssel in der vergangenen Woche an: Dort waren zunächst die seit Monaten diskutierten sechs Milliarden Euro freigegeben worden, und zwar für die kommenden zwei Jahre. Ursprünglich sollte das Geld auf sechs Jahre verteilt werden. "Nur ein Tropfen auf den heißen Stein", befanden gleichwohl die Kritiker in Opposition und Gewerkschaften.

Ideenbörse gegen Jugendarbeitslosigkeit

Die Konferenz im Kanzleramt war als eine Art Ideenbörse konzipiert: Für den Austausch von Erfahrungen mit erfolgreichen Konzepten, Reformen und Strukturen. Im Englischen heißt das "best practice". Es war der Tag der Praktiker, wie Merkel ihre Arbeitsministerin zitierte. Kein Land kann freilich zu einer bestimmten Politik gezwungen werden, denn jeder EU-Staat ist bei der Arbeitsmarktpolitik souverän. Klar ist: Es gibt kein bestes Konzept, das auf alle Länder passt.

Deutschland hat in einigen EU-(Krisen)-Ländern nicht den besten Ruf. Die Bundesrepublik gilt den Kritikern als Sparkommissar, dessen Rezepte die Krise immer nur weiter anheizen. Denn die Not in Europas Süden ist groß. Die Länder rufen um Hilfe.

Die Protestierenden dort reagieren allergisch auf Belehrungen und kluge Ratschläge, zumal wenn sie aus Deutschland kommen. Ein schwieriges Feld. Deshalb sollte die Konferenz auf Einladung Merkels vor allem eine Botschaft aussenden: "Wir kümmern uns, wir lassen Euch nicht allein."

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Das kommt - zusammen mit den TV-Bildern vom großen Treffen im Kanzleramt - vor allem im Wahlkampf erfahrungsgemäß gut an. Und die EU-Granden gaben den Rahmen dafür. Die Spitzenkandidatin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt, monierte "inhaltsleere Symbolpolitik" und kommentierte spitz: "Das ist der 49. Gipfel, den diese Bundesregierung veranstaltet."

SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück reklamierte für seine Partei das Urheberrecht an Initiativen für mehr Jugendbeschäftigung - und das seit langem. Die Kanzlerin habe sich bedient, weil es jetzt eben passe. SPD-Chef Sigmar Gabriel nannte Merkel "eine Art Dieb, die der Jugend Europas die Zukunft stiehlt." (dpa)