Paris. . Um die deutsch-französischen Beziehungen ist es ein Jahr nach Amtsantritt von Präsident Hollande nicht allzu gut bestellt. Aus den Reihen der regierenden Sozialisten gibt es scharfe Attacken gegen die deutsche Kanzlerin Merkel. Ein Experte sagt: Es herrscht Eiszeit zwischen Paris und Berlin. Nun versuchen Spitzenpolitiker die Wogen zu glätten, doch das ist nicht einfach.

Knapp ein Jahr nach Amtsantritt des französischen Präsidenten François Hollande will im Elysée-Palast keine Feierlaune aufkommen: Die Arbeitslosigkeit hat mit 3,2 Millionen einen neuen Rekord erreicht – und Hollandes Popularität den schlimmsten Tiefpunkt. Jetzt kommt noch ein handfestes Zerwürfnis mit dem treuesten Verbündeten hinzu. „Zwischen Paris und Berlin herrscht Eiszeit“, lautet das bittere Fazit des Politologen Hans Stark, Generalsekretär des Komitees für deutsch-französische Beziehungen.

Auslöser des jähen Temperatursturzes ist ein aktuelles Positionspapier der regierenden Sozialisten zur Europapolitik. Ein Dokument, das vor giftigen Angriffen gegen Angela Merkel nur so strotzt. „Selbstbezogene Unnachgiebigkeit“ werfen die Vordenker der „Parti Socialiste“ der Kanzlerin darin vor. Nicht das Wohlergehen der europäischen Nachbarn liege ihr am Herzen, vielmehr denke sie nur „an die Spareinlagen der Anleger jenseits des Rheins, an die Handelsbilanz und an die nächsten Wahlen“.

Frankreichs Sozialisten fordern Ende von Merkels Spardogma

Die Sozialisten dringen auf ein rasches Ende des Merkel’schen Spardogmas und eine Sanierung Europas durch die Rückkehr zu Wachstum. Parlamentspräsident Claude Bartolone wurde sogar noch deutlicher. Er rief dazu auf, die „Konfrontation mit Deutschland“ zu suchen.

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Kaum war der Skandal in der Welt, versuchte Premierminister Jean-Marc Ayrault, ein ehemaliger Deutschlehrer, die Wogen zu glätten. Damit seine Friedensbotschaft an der Spree auf Anhieb verstanden wird, twitterte Ayrault sie auch auf Deutsch: „Ohne einen intensiven und ehrlichen Dialog zwischen Deutschland und Frankreich werden wir die Probleme in Europa nicht lösen.“ Und Innenminister Manuel Valls tadelte seine Parteifreunde. „Die Vorschläge sind unverantwortlich, demagogisch und schädlich“, schimpfte er.

„Tanz auf dem Vulkan“

Neu sind die Anti-Merkel-Attacken nicht. Schon vor anderthalb Jahren verglich der linke Vordenker Arnaud Montebourg die deutsche Regierungschefin mit Otto von Bismarck. Ähnlich wie der Eiserne Kanzler, so ätzte er, sehe auch Merkel das Wohlergehen Deutschlands darin, die europäischen Nachbarn in den Ruin zu treiben.

Die Neigung, Angela Merkel als Sündenbock abzustempeln, hat derzeit Konjunktur in Frankreich. Hans Stark, Politikwissenschaftler bei der Pariser Denkfabrik Ifri, beschreibt die Gefühlslage im Lande so: „Die Franzosen tanzen auf dem Vulkan.“ Schon zum 23. Mal in Folge sei die Arbeitslosigkeit angestiegen, mit 3,22 Millionen lag sie Ende März über dem alten Rekordwert von 1997. „Das Schlimme ist, dass ein Licht am Ende des Tunnels nicht in Sicht ist“, umschreibt Stark die depressive Stimmung im Lande.

Der Politologe rät François Hollande und Angela Merkel dazu, sich zusammenzuraufen statt fortwährend zu schmollen. Um Meinungsunterschiede über die künftige Spar- und Wachstumspolitik in Europa zu beseitigen, so findet Stark, müssten die beiden alle kritischen Punkte auf den Tisch bringen. „Doch in Wirklichkeit“, befindet Stark, „sehen sie sich gar nicht mehr.“