Brüssel. . In Deutschland zahlen Geringverdiener nach wie vor zu hohe Steuern und Abgaben. Zu diesem Ergebnis kommt die EU-Kommission, die am Mittwoch in Brüssel ihre jährlichen wirtschaftspolitischen Empfehlungen an alle EU-Staaten vorstellte. Deutschland müsse sich auch mehr tun, um Minijobber in reguläre Beschäftigungsverhältnisse zu bringen.
Während sechs Euro-Staaten nach dem Willen der EU-Kommission mehr Zeit für die schwierige Konsolidierung ihrer Haushalte erhalten sollen, bescheinigt die Kommission dem Euro-Klassenbesten Deutschland gute Fortschritte bei der Haushaltssanierung – auch wenn die Gesamtschulden noch erheblich über dem Grenzwert liegen. Die von Berlin angemeldeten Ziele seien „realistisch“, heißt es in dem Brüsseler „Frühjahrszeugnis“ für Berlin.
Für jeden Mitgliedstaat gibt es aus Brüssel eine Analyse, wo das jeweilige Land in Sachen Haushaltsdisziplin, Wachstumsförderung und Strukturreformen steht. In einem Pflichtenheft steht, was er auf dem Pfad zur Tugend zu tun hat. Das soll Fehlentwicklungen, wie sie in die große Krise geführt haben, von vornherein ausschließen.
Lange Mängelliste für Deutschland
Auch für Deutschland gibt es neben dem Lob eine lange Mängelliste. So kritisiert die Kommission, dass hierzulande nicht genügend Kindergärten und Ganztagsschulen zu Verfügung stünden. Geringverdiener würden zu stark belastet. Das Gesundheitssystem sei nicht hinreichend effektiv, der Dienstleistungssektor überreguliert, die Ausgaben für Bildung und Forschung seien zu gering.
Im Pflichtenheft fordert Brüssel die Bundesrepublik auf, Mehrwert- und Grundsteuern auf breiterer Basis abzuschöpfen. Vor allem aber wird Berlin angehalten, mehr zu tun, um die sozial Schwachen – Minijobber, Minderqualifizierte, Behinderte – zu akzeptablen Bedingungen in reguläre Beschäftigung zu bringen.
„Wachsende Ungleichheit in EU“
Kommissionschef Jose Manuel Barroso zeigte sich besorgt über „die wachsende Ungleichheit in manchen Gegenden“ der EU. Beim Kampf gegen die Arbeitslosigkeit könne man nicht auf die Wirkung von Reformen warten, die sich erst längerfristig einstellen werde. Der vermeintliche Gegensatz von Spar- und Wachstumspolitik sei indes Unsinn. Es gehe nicht um politische Kursempfehlungen der ein oder der anderen Hauptstadt: „Was wir brauchen, ist ein europäischer Konsens.“