Mainz/Berlin. . Pleiten, Pech und Brüderle: Abgelenkt vom Grüßen, bricht sich der FDP-Spitzenmann bei einem Sturz mehrere Knochen. Weniger als 100 Tage vor der Wahl ein Handicap für den Liberalen, dessen Kampagne bislang recht ernüchternd verläuft.

Manchmal ist es im Leben eines Politikers so, wie Ex-Bayern-Fußballer Jürgen Wegmann es einst auf den Punkt brachte: "Zuerst hatten wir kein Glück, und dann kam auch noch Pech dazu." So dürfte sich gerade wohl FDP-Mittelstürmer Rainer Brüderle fühlen. Er sollte an der Seite des Partei-Kapitäns Philipp Rösler bis zur Bundestagswahl in drei Monaten die wichtigen Tore machen, die angeschlagenen Liberalen über die fünf Prozent schießen. Am Freitagabend, gut eine Woche vor seinem 68. Geburtstag am 22. Juni, stürzte Brüderle schwer.

Er hatte sich mit Freunden das pfälzische Mundart-Theaterstück "Der fröhliche Weinberg" von Carl Zuckmayer angesehen, wie die Nachrichtenagentur dpa in Mainz erfuhr. Nach der Aufführung des Lustspiels im Freilichttheater in Rhein-Nähe ging es zum Abendessen, wo später auf der Treppe eines Restaurants der folgenreiche Sturz passierte. Beim Verlassen des Lokals sei Brüderle angesprochen worden. Dabei habe er eine Stufe übersehen und sei aus dem Tritt geraten.

Gleichzeitiges Grüßen und geradeaus Gehen fatal

Der FDP-Politiker wurde sofort in die Mainzer Uniklinik gebracht und operiert. Er zog sich Brüche an Arm und Bein zu und muss mehrere Tage im Krankenhaus bleiben.

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Zunächst verbreitete am Samstag die Berliner "B.Z. am Sonntag" eine von der FDP stundenlang unwidersprochene Version, dass Brüderle bei einem Wahlkampfauftritt beim Verlassen des Podiums gestürzt sei. Allerdings war bei der rheinland-pfälzischen FDP keine Veranstaltung mit Brüderle für den Freitagabend bekannt.

Brüderle selbst sagte am Sonntag der "Rheinischen Post" Erhellendes: "Ich bin da Opfer meiner eigenen Dynamik geworden." Und zum Ablauf des Unfalls: "Und dann war da diese Stufe. Immerhin konnte ich mich noch auf die linke Seite drehen. Meine rechte Schreibhand ist unverletzt." Es sei manchmal schwierig, geradeaus zu gehen und gleichzeitig links und rechts Leute zu grüßen.

Der Spitzenkandidat und Ex-Landesminister ist in Mainz unverändert eine große Nummer, obwohl die FDP unter seinem Landesvorsitz 2011 aus dem Landtag flog. Brüderle sollte eigentlich am Samstag bei einem Bezirksparteitag in seiner Heimat erscheinen.

Viel Spott, aber auch Genesungswünsche

Es dauerte bis Samstag 18.01 Uhr, als die FDP-Parteizentrale in Berlin folgende Mitteilung verschickte: "Rainer Brüderle ist gestern Abend am Rande eines Abendessens mit Freunden nach einer Theateraufführung gestürzt und hat sich dabei Frakturen an Arm und Bein zugezogen." In den sozialen Netzwerken - bei Twitter und Facebook - erntete der für seine Lebenslust bekannte Pfälzer viel Spott. Es gingen aber auch parteiübergreifend Genesungswünsche ein.

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Was bedeutet das für die FDP? Bald beginnt die heiße Phase im Wahlkampf. Am 7. Juli ist das große ARD-Sommerinterview mit Brüderle. Es folgen bundesweit viele Parteitermine. Am 2. September kommt es zum TV-Dreikampf zwischen Brüderle, Gregor Gysi (Linke) und Jürgen Trittin (Grüne). Ein paar Knochenbrüche dürften den erfahrenen Wahlkämpfer nicht aus der Bahn werfen. Notfalls wird Brüderle an Krücken wichtige Veranstaltungen absolvieren müssen. In der FDP heißt es, man müsse nun abwarten, wie stark Brüderle durch seine Verletzung beeinträchtigt sein werde.

Der Spitzenkandidat schwächelte bereits vorher

Das Missgeschick kommt für den Chef der Bundestagsfraktion politisch aus einem weiteren Grund zu einem heiklen Zeitpunkt. Seit längerem wird in Partei und unter den Abgeordneten getuschelt, dass der Spitzenkandidat bisher nicht richtig gezündet sei. Die Sexismus-Vorwürfe hätten ihn verändert, sagen Parteifreunde. Eine Stern-Reporterin schilderte Anfang des Jahres, wie Brüderle sich ihr gegenüber anzüglich geäußert habe ("Sie können ein Dirndl auch ausfüllen.") Brüderle hat den Vorgang nie kommentiert. Im Umgang mit Journalisten tritt er nicht mehr so unbefangen auf wie früher.

Für Brüderle kam die bittere Lehrstunde hinzu, als Parteichef Rösler ihn nach der Niedersachsen-Wahl düpierte. Rösler bot seinem Rivalen den Vorsitz an. Brüderle war überrumpelt, lehnte ab und wurde Spitzenkandidat. Rösler ist seitdem in der FDP unangefochten. (dpa)