Nürnberg.. FDP-Parteichef Rösler schimpft auf dem Parteitag in Nürnberg beim Frontalangriff auf Rot-Grün über Abkassierer, Fortschrittsgegner, Tugendwächter und Freiheitsfeinde. Doch es gibt eine leichte Öffnung der Liberalen beim Thema Mindestlohn.

Philipp Rösler hat seine Rede schon fast beendet, da sind plötzlich sogar Sigmar Gabriel und Claudia Roth auf dem FDP-Parteitag. Die beiden Parteichefs von SPD und Grünen blicken zwar nur von einem Foto auf zwei Riesenleinwänden in den Saal, aber die 660 Delegierten sind ziemlich irritiert. Doch Rösler erklärt den Spaß gleich selbst: „Wollen Sie wirklich, dass diese beiden über Ihr Leben entscheiden?“, fragt der FDP-Vorsitzende und antwortet gleich selbst: „Nein, das wollen wir nicht.“

Dann dreht der Oberliberale auf: „Dieser Parteitag ist die Antwort auf Rot-Rot-Grün. Wir antworten auf die Abkassierer, Fortschrittsgegner, Tugendwächter und Freiheitsfeinde“. Man werde im Richtungswahlkampf „die Roten und Grünen vor uns hertreiben“, die „Fronten“ seien geklärt, ruft Rösler unter lautem Beifall der Delegierten.

Kampfansage der FDP an Rot-Grün

Die persönliche Kampfansage ist die aufwändig inszenierte Botschaft des FDP-Parteitags am Wochenende in Nürnberg. Rösler und Spitzenkandidat Rainer Brüderle stimmten die Liberalen auf eine frontale Lager-Kampagne gegen SPD und Grüne ein, bekannten sich klar zur Fortsetzung der schwarz-gelben Koalition.

Im Zentrum der Attacken sollen die rot-grünen Steuerpläne stehen: Rösler bezifferte die geplanten Mehrbelastungen auf über 40 Milliarden Euro im Jahr, Brüderle sprach von „Öko-Sozialismus“ und nannte SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück einen „brutalen Steuererhöher“. Noch ausgiebiger ging Rösler mit Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin ins Gericht: Der sei „nicht der Robin Hood für einige wenige, er ist der böse Räuber Hotzenplotz für alle in Deutschland.“

Die polternde Eröffnung des „Haltungswahlkampfs“ war die Begleitmusik zum fast einmütigen Beschluss eines Wahlprogramms, das dagegen eher unspektakulär wirkt. Als Kontrast zu Rot-Grün und ursprünglich auch zur Union lehnen die Liberalen alle Steuererhöhungen ausdrücklich ab. Doch Entlastungsversprechen für die Bürger hält die FDP diesmal ungewöhnlich vage. In Aussicht gestellt wird unter anderem der Abbau des Solidaritätszuschlags ab 2014.

Mehr Gewicht wird auf die Haushaltssanierung gelegt, die Aufnahme neuer Schulden will die FDP so schnell wie möglich beenden. Rösler, der auf dem Parteitag ungewohnt selbstbewusst und kämpferisch auftrat, setzte aber nach langer Debatte auch eine inhaltliche Neuausrichtung der FDP beim Thema Mindestlohn durch: Der Parteitag stimmte für eine vorsichtige Öffnung für differenzierte Lohnuntergrenzen in einzelnen Branchen und Regionen, überwiegend auf der Basis schon vorhandener Instrumente.

Knappe Mehrheit von 57 Prozent der Delegierten für die sozialpolitische Öffnung

Rösler hatte sich dieses Signal persönlich auf die Fahne geschrieben: „Ich will nicht, dass man in Deutschland ein Geschäftsmodell aufbauen kann, indem man Beschäftigten dauerhaft drei Euro pro Stunde bezahlt.“

Doch mehrere Landesverbände wie Sachsen, Thüringen und Bayern sowie die Jungen Liberalen gingen auf harten Gegenkurs. Parteivize Holger Zastrow warnte, in Ostdeutschland würden Firmen in ihrer Wettbewerbsfähigkeit gefährdet.

Auf der anderen Seite standen neben Rösler auch Spitzenkandidat Brüderle und der mächtige NRW-Landesverband unter Parteivize Christian Lindner für den Kurswechsel. Trotz dieser Unterstützung votierte am Ende aber nur eine knappe Mehrheit von 57 Prozent der Delegierten für die sozialpolitische Öffnung, die eine klare Ablehnung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns einschließt.

Geringer Frauenanteil

Während dieser Beschluss die angestrebte weitere Zusammenarbeit mit der Union erleichtern würde, setzte die FDP bei anderen Themen auf Abgrenzung: So sprach sich der Parteitag für eine Überprüfung des Betreuungsgeldes aus und hielt am Nein zu einer gesetzlichen Frauenquote für Aufsichtsräte fest.

Selbst eine innerparteiliche Frauenquote lehnt die FDP ab. Der Vorstoß der Liberalen Frauen, eine 40-prozentige Quote in Parteiämtern und auf Kandidatenlisten zu verankern, wurde wegen „Rechtswidrigkeit“ nicht beraten: Der Frauenanteil in der FDP ist mit 23 Prozent so gering, dass die Quote als nicht umsetzbar galt.