Berlin. . FDP-Chef Philipp Rösler ist am Sonntag gestärkt aus dem Berliner Parteitag hervorgegangen. Was mal als Scherbengericht über den Vorsitzenden angekündigt war, einte stattdessen die Partei – und traf ein paar andere bekannte Liberale.
Noch vor acht Wochen galt dieser FDP-Parteitag als finales Strafgericht für den Vorsitzenden Philipp Rösler. Doch statt seines Sturzes erlebte der 40-Jährige am Wochenende eine Art politische Wiedergeburt, die Delegierten stärkten ihm demonstrativ den Rücken. Die Last des Wahlkampfes trägt nun aber ein ganzes Team, voran Spitzenkandidat Rainer Brüderle als „Sturmspitze“.
Warum ist Rösler plötzlich so stark?
Er spürt durch den unerwartet guten Ausgang der Niedersachsen-Wahl und den gewonnenen Machtkampf mit Brüderle Aufwind – er ist selbstbewusster geworden, wohl auch innerlich gewachsen. So hielt er eine seiner bislang besten Reden, wirkte authentisch. Nebenbei räumte er „selber gemachte Fehler“ ein, sprach locker über „doofe Abende“ nach Wahlniederlagen – und deutete an, auch übers Hinwerfen nachgedacht zu haben. Sein Wahlergebnis von 85,7 Prozent war zwar schlechter als bei seinem Start vor zwei Jahren (95,1). Aber damit kann Rösler gut leben, von den Spitzenleuten schnitt nur Schatzmeister Otto Fricke besser ab – und der potenzielle Rivale Christian Lindner deutlich schlechter.
Wohin will Rösler die FDP nun führen?
Sein größtes Anliegen für den Parteitag war es, neue Akzente für den FDP-Kurs über klassische Wirtschafts- und Finanzthemen hinaus zu setzen. Er forderte, die FDP müsse sich mehr der Lebenswirklichkeit der Menschen zuwenden. So sei etwa die Familienpolitik – Frauenförderung, Kinderbetreuung, mehr Hilfen für junge Eltern – „eines der größten Reformvorhaben der nächsten Jahre“.
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Beim Mindestlohn warb Rösler für eine Öffnung, um in Branchen und Regionen ohne funktionierende Tarifparteien „faire Löhne“ durchzusetzen.
Durchaus Zustimmung fand Röslers Kurs, Steuerentlastungen nur noch vage in Aussicht zu stellen. Der Parteitag beschloss einen Antrag, in dem stattdessen vor allem ein „Steuermoratorium“ angedacht wird, also der Verzicht auf Steuererhöhungen.
Klappt die Arbeitsteilung mit Brüderle?
Rösler und Brüderle bleiben Rivalen, doch wissen sie, dass es ums Überleben der FDP geht. Brüderle ist zuständig für die Attacke, Rösler soll als „Mannschaftskapitän“ auch die inhaltliche Aufstellung verbreitern. Auf dem Parteitag gab Brüderle stellenweise den Einpeitscher, wurde dankbar bejubelt. Er versprach als „Sturmspitze wie Miro Klose“ einen furiosen Wahlkampf, SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück nannte er eine „Fettnapfsuchmaschine“, Rot-Grün sprach er die Regierungsfähigkeit ab. Doch warf der Spitzenkandidat auch der Union vor, sie habe „ein bisschen viel sozialdemokratischen Speck angesetzt“.
Warum gab es Zoff um Spitzenposten?
Bei den drei Stellvertreterposten setzten sich wie erwartet NRW-Landeschef Christian Lindner und Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger durch. Lindner bekam bei seiner Rückkehr in die Parteispitze mit nur 77,8 Prozent der Stimmen aber einen Dämpfer. Ein Teil der FDP nimmt dem 34-Jährigen noch den Rücktritt als Generalsekretär übel, einige Delegierte schreckte die potenzielle Rivalität mit Rösler ab. Lindner selbst sprach von einem „reinigenden Gewitter“.
Überraschend gewann der sächsische FDP-Chef Holger Zastrow eine Kampfabstimmung um den dritten Vize-Posten gegen die Baden-Württembergerin Birgit Homburger, die später noch ins Präsidium gewählt wurde. Gleich zwei Bundesminister erlitten Blessuren: Die Abwahl von Entwicklungshilfeminister Dirk Niebel aus dem Präsidium war wegen seiner Attacken auf Rösler erwartet worden. Gesundheitsminister Daniel Bahr, der sich erst spät zur Kandidatur entschlossen hatte, verlor beim Kampf um einen Präsidiumsplatz gegen den Kieler Fraktionschef Wolfgang Kubicki. Für Rösler sind der geradlinige Zastrow und der eigensinnige Kubicki eher unbequeme Führungskollegen. Sein Generalsekretär Patrick Döring erhielt mit 65 Prozent ein mageres Ergebnis.
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Wie geht es für die Koalition weiter?
Rösler und Brüderle legten ein Bekenntnis zur Fortsetzung von Schwarz-Gelb nach der Wahl ab. Aber sie grenzten sich auch zur Union ab: Etwa mit der Forderung nach der doppelten Staatsbürgerschaft oder der vollen Gleichstellung der Homo-Lebenspartnerschaften mit der Ehe, die die FDP zum Konfliktthema macht. Beim Mindestlohn wird sich die Koalition vor der Wahl nun gar nicht mehr verständigen können.