Berlin. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz, hat die Türkei zur Mäßigung im Streit über die Vergabe von Journalistenplätzen im NSU-Prozess aufgefordert. Es bestehe keinerlei Anlass, an der Fähigkeit des Gerichts zu zweifeln, das Verfahren in der Sache “vernünftig, fair und zielgerichtet“ zu bewältigen.

Im Streit um die Vergabe der Journalistenplätze beim NSU-Mordprozess in München hat der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des Bundestags, Ruprecht Polenz, die Türkei zur Mäßigung aufgerufen. "Das Münchener Oberlandesgericht hat es bei der Vergabe von Zuschauerplätzen für den NSU-Prozess sicher am nötigen Fingerspitzengefühl fehlen lassen", sagte der CDU-Politiker der "Berliner Zeitung" (Dienstag). "Aber ich möchte die türkische Politik dringend warnen, das Rad der Kritik nun noch eine Umdrehung weiter zu drehen."

Es bestehe keinerlei Anlass, die Fähigkeit des Gerichts in Zweifel zu ziehen, das Verfahren in der Sache vernünftig, fair und zielgerichtet zu bewältigen, sagte Polenz weiter. Im ZDF-"Morgenmagazin" ergänzte er: "Die Türkei hat allen Grund, auch Vertrauen in den deutschen Rechtsstaat zu setzen, vor allen Dingen auch in die deutsche Justiz." Aus der ungeschickten Vergabe der Plätze zu folgern, dass der ganze Prozess nicht fair verlaufen werde, "das schießt weit über das Ziel hinaus".

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Der Prozess gegen die mutmaßliche Neonazi-Terroristin Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Unterstützer der Terrorgruppe "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) soll am 17. April am Oberlandesgericht München beginnen. Das Gericht steht massiv in der Kritik, weil es weder für den türkischen Botschafter noch für türkische Medien feste Beobachterplätze im Gerichtssaal garantiert - obwohl acht der zehn Opfer der Morde, die dem NSU zugeschrieben werden, türkische Wurzeln hatten.

"Gewaltenteilung gilt auch im NSU-Prozess"

Der thüringische FDP-Generalsekretär Patrick Kurth hat die Forderung der Türkei zurückgewiesen, auch türkische Politiker als Beobachter beim NSU-Prozess zuzulassen. "Es gibt kein grundsätzliches Recht für Politiker auf Teilnahme an einem Prozess - das ist auch für deutsche Abgeordnete schwierig", sagte Kurth der "Mitteldeutschen Zeitung" (Online-Ausgabe).

Kurth, der dem NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages angehört, fügte hinzu: "Die Gewaltenteilung wird in diesem Land verteidigt und gilt auch für den NSU-Prozess. Gerichte sind unabhängig." Abgeordnete kontrollierten die Regierung, nicht die Gerichte. Dies ändere aber nichts daran, dass Gerichtsprozesse höchsten Anforderungen an Transparenz genügen müssten.

Türkischer Außenminister forderte Zugang für türkische Politiker

Über die Osterfeiertage hatte sich die türkische Regierung in die Debatte eingeschaltet. Der türkische Außenminister Ahmet Davutoglu telefonierte mit seinem deutschen Kollegen Guido Westerwelle (FDP). Ankara fordert, dass sowohl Vertreter des türkischen Staates als auch der türkischen Medien als Beobachter am NSU-Prozess im Oberlandesgericht München teilnehmen können.

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Dort muss sich ab 17. April die mutmaßliche Rechtsterroristin Beate Zschäpe verantworten. Daneben angeklagt sind vier mutmaßliche Helfer des Nationalsozialistischen Untergrunds. Dem NSU werden Morde an neun ausländischstämmigen Kleinunternehmern und einer Polizistin angelastet. Für den Prozess wurden nur 50 Journalisten mit festen Plätzen zugelassen. Entscheidend war die Reihenfolge der Anmeldung. Medienvertreter aus der Türkei und Griechenland, woher neun NSU-Opfer stammen, erhielten keine reservierten Plätze.

SPD-Rechtsexperte für Live-Übertragung des NSU-Prozesses

Der SPD-Rechtsexperte Franz Schindler hat sich für eine Live-Übertragung des NSU-Prozesses in einen benachbarten Gerichtssaal ausgesprochen. Er sehe hier keine rechtlichen Bedenken, sagte der Schwandorfer Politiker dem Bayerischen Rundfunk am Dienstag. Einzige Bedingung dafür sei aber, dass die Übertragung nur für ein ausgewähltes Publikum, etwa akkreditierte Journalisten, zu sehen sei.

Schindler äußerte Verständnis dafür, dass die Türkei auch für Prozessbeobachter ihrer Regierung garantierte Sitzplätze einfordert. Im umgekehrten Fall würde auch die Bundesrepublik darauf Wert legen, dass offizielle Vertreter Deutschlands an einem solchen Prozess teilnehmen könnten, sagte der Vorsitzende des NSU-Untersuchungsausschusses im Bayerischen Landtag.

Das Oberlandesgericht München lehnt eine Live-Übertragung des Prozesses bisher ab. Für eine erneute Stellungnahme war das Gericht am Dienstag zunächst nicht zu erreichen. (dpa/dapd/rtr)