München. In drei Wochen startet in München der NSU-Prozess - und noch immer ist unklar, ob türkische Medien vielleicht doch noch feste Plätze bekommen. Mehrere Politiker und namhafte Juristen werben für eine pragmatische Lösung. Der Prozess könnte per Video in einem Nebensaal übertragen werden.
In der Debatte um Presseplätze für türkische Medien beim Münchner NSU-Prozess zeichnet sich trotz anhaltenden Drucks auf das Oberlandesgericht weiter keine Lösung ab. Erneut brachten namhafte Juristen und auch Politiker die Möglichkeit ins Spiel, die Verhandlung für Journalisten per Video in einen anderen Gerichtssaal zu übertragen. Zudem wurden Rufe nach Änderungen der Gesetze und einer Neuauflage des Akkreditierungsverfahrens laut.
Für das Verfahren, das am 17. April beginnt, hat kein türkisches Medium einen der 50 garantierten Presseplätze im Gerichtssaal erhalten, obwohl acht der zehn Mordopfer, die der rechtsextremen Terrorzelle NSU zugeschrieben werden, türkischer Abstammung waren. Das OLG vergab die Akkreditierungen nach Eingang der Anmeldungen – bereits nach knapp drei Stunden waren 50 Anfragen eingegangen.
Die EU kritisiert das Akkreditierungsverfahren ebenfalls
Kritik an dem Akkreditierungsverfahren kommt auch aus Brüssel. Justizkommissarin Viviane Reding sagte der "Süddeutschen Zeitung" (Donnerstag), die Vergabe der Medienplätze sei "suboptimal gelaufen". Es sei doch "das Normalste von der Welt, dass ausländische Medien, erst recht aus Ländern mit Betroffenen, dem Prozess beiwohnen wollen". Der Menschenrechtskommissar des Europarats, Nils Muižnieks, nannte die Entscheidung des Gerichts laut "SZ" "schwer verständlich".
Der Vorsitzende des Bundestags-Rechtsausschusses, Siegfried Kauder (CDU), verteidigte das Gericht. "Ob türkisch oder nicht türkisch, danach unterscheidet die Justiz nicht. Im Übrigen wird immerhin die Hälfte der Sitzplätze für Journalisten freigehalten. Die Entscheidungen des Gerichts bewegen sich im Rahmen des rechtlich Zulässigen und Möglichen", sagte er dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Der Prozess könnte per Video in Nebenraum übertragen werden
Auch der Unions-Obmann im NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestags, Clemens Binninger (CDU), betonte: "Das OLG München muss sich an die gesetzlichen Vorgaben bei der Platzvergabe für Journalisten halten." Ein wegen Verfahrensfehlern ungültiges Urteil wolle niemand. Dennoch solle das Gericht prüfen, ob eine Übertragung in einen Nebensaal ermöglicht werden kann.
"Vernünftig wäre die Übertragung der Verhandlung in einen anderen Raum, unter strengen Sicherheitsvorkehrungen", sagte auch der frühere Bundesverfassungsrichter Winfried Hassemer. Das sei keine öffentliche Vorführung, die gesetzlich nicht zulässig wäre, sondern eine Erweiterung des Gerichtssaales. Auch der Verfassungsrechtler Wolfgang Hoffmann-Riem und andere Juristen sehen darin einen Möglichkeit.
Türkische Journalisten erheben moralische Vorwürfe
Vor allem von türkischer Seite ist die Kritik heftig. Ahmet Külahci, der Chefkorrespondent der türkischen Zeitung "Hürriyet", warf dem OLG mangelndes Fingerspitzengefühl vor. Zwar könne er sich vorstellen, dass das Akkreditierungsverfahren juristisch und bürokratisch nicht zu beanstanden sei. "Moralisch und ethisch ist es aber nicht zu vertreten, dass keine Medienvertreter aus der Türkei dabei sein können", sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten".
Der hessische Justizminister Jörg-Uwe Hahn (FDP) befürwortete ein neues Vergabeverfahren. "Ich habe das Gefühl, am sinnvollsten ist es, man fängt noch einmal neu an", sagte er dem Radiosender hr-info am Donnerstag. "Man sollte ein anderes Verfahren wählen, das gerichtsfest ist. Dann wird bestimmt dabei herauskommen, dass zwei türkische und ein griechischer Kollege dabei sind."
Das Münchner Gericht bezog nicht neu Stellung
Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der NSU-Morde, Barbara John, weckte mit Aussagen in der "Passauer Neuen Presse" Hoffnung auf eine Lösung. Sie habe mit dem OLG gesprochen. "Das Oberlandesgericht hat mir zugesagt, die türkischen Medien einzubinden - was auch immer das heißt. Ich hoffe, dass das Problem gelöst werden kann." Vom Gericht gab es keine Stellungnahme. Es hat bisher betont, dass die Akkreditierungsbedingungen nicht geändert werden können. (dpa)