Berlin. Kein türkischer Journalist hat einen Presseplatz beim NSU-Prozess. Dafür wurde das Münchener Oberlandesgericht heftig kritisiert. Nun sieht die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der NSU-Morde erste Bewegungen im Streit. Das Gericht habe ihr zugesagt, die türkischen Medien einzubinden.
Im Streit um die Akkreditierung von Journalisten beim bevorstehenden NSU-Prozess vor dem Münchener Oberlandesgericht gibt es möglicherweise Bewegung. Die Ombudsfrau der Bundesregierung für die Opfer der NSU-Morde, Barbara John, sagte der "Passauer Neuen Presse" vom Donnerstag, das Gericht habe ihr "zugesagt, die türkischen Medien einzubinden, was auch immer das heißt". Aus der CDU erhielt das Gericht Rückendeckung.
"Ich hoffe, dass das Problem gelöst werden kann", sagte John der Zeitung. "Mir wurde gesagt, dass die Zulassung der Presse nach dem üblichen vorgegebenen Verfahren gelaufen ist", fügte sie hinzu. Offensichtlich sei nicht daran gedacht worden, dass ausländische Medienvertreter nicht über die Akkreditierungsregeln in Deutschland informiert sein könnten.
Acht NSU-Opfer hatten türkische Wurzeln
"Es wäre besser gewesen, den Prozess in einen größeren Saal zu verlegen", sagte John. Diese Forderung habe sie "mehrfach an das Gericht herangetragen, aber mir wurde gesagt, dass das nicht geht".
Das Münchener Gericht hatte am Montag die Liste der zugelassenen Medien veröffentlicht. Große ausländische Medien etwa aus der Türkei erhalten demnach keinen der 50 garantierten Pressesitzplätze im Prozess gegen das mutmaßliche NSU-Mitglied Beate Zschäpe und vier mutmaßliche Helfer ab dem 17. April. Das im November 2011 aufgeflogene Neonazitrio Nationalsozialistischer Untergrund wird für eine bundesweite Mordserie an neun Migranten und einer deutschen Polizistin verantwortlich gemacht. Acht Opfer hatten türkische Wurzeln.
Videoübertragung sei "Public Viewing" und ein "Verstoß gegen Menschenwürde"
Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Siegfried Kauder (CDU), verteidigte das Münchener Oberlandesgericht indes gegen die aus verschiedenen Richtung aufgekommene Kritik. "Eine Videoübertragung in einen anderen Saal hätte ein bisschen was von Schauprozess, und Public Viewing und wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde der Angeklagten", sagte Kauder dem "Kölner Stadt-Anzeiger".
Zum Ausschluss türkischer Medien von garantierten Sitzplätzen sagte Kauder: "Ob türkisch oder nicht türkisch, danach unterscheidet die Justiz nicht."
Hürriyet-Chefkorrespondent spricht von mangelndem Fingerspitzengefühl
Der Chefkorrespondent der türkischen Zeitung "Hürriyet", Ahmet Külahci, warf dem Gericht in den Dortmunder "Ruhr Nachrichten" mangelndes Fingerspitzengefühl vor. Zwar könne er sich vorstellen, dass das Akkreditierungsverfahren juristisch und bürokratisch nicht zu beanstanden sei.
"Moralisch und ethisch ist es aber nicht zu vertreten, dass keine Medienvertreter aus der Türkei dabei sein können", sagte Külahci. Das Interesse an dem Verfahren sei in der Türkei sehr groß. "Deshalb sollte das Gericht mehr Sensibilität zeigen", sagte Külahci.
Der frühere Richter am Bundesverfassungsgericht, Wolfgang Hoffmann-Riem, sprach sich am Mittwoch in der ARD für eine Zulassung türkischer Medien aus. Er plädierte für eine Videoübertragung in einen anderen Saal des Gerichts, um allen interessierten Journalisten die Möglichkeit zu geben, den Prozess zu verfolgen. "Ich würde dem Gerichtspräsidenten raten, dass er in sich geht und sich einen Ruck gibt", sagte Hoffmann-Riem. Dabei werde dieser feststellen, dass er eine "zu rigide" Regel erlassen und "nicht alles bedacht" habe. (afp)