Nikosia. . Zypern setzt nach der Ablehnung des Hilfspakets von EU, EZB und IWF auf Hilfen aus Russland. Er hoffe, dass noch am Mittwoch eine Vereinbarung über einen Kredit aus Russland getroffen werden könnte, sagte Zyperns Finanzminister Michael Sarris. Dem Land droht sonst womöglich ab Mai die Pleite.

Die kleine Inselrepublik Zypern steuert auf den finanziellen Untergang zu. Das Parlament in Nikosia brachte am Dienstagabend die geplante und hoch umstrittene Zwangsabgabe auf Bankguthaben zu Fall. Kein einziger Abgeordneter stimmte für die Einmalmaßnahme, die Voraussetzung für das am Wochenende geschnürte internationale Hilfspaket der Europartner ist. Auf der verzweifelten Suche nach anderen Geldquellen war der zyprische Finanzminister Michalis Sarris am Abend nach Moskau geflogen, wie das staatliche zyprische Radio berichtete.

Nach der Ablehnung der von der Eurozone ausgehandelten Finanzhilfen setzt das hochverschuldete Land nun verstärkt auf Unterstützung aus Russland. Zyperns Finanzminister Michalis Sarris hielt sich am Mittwoch zu Gesprächen in Moskau auf, wo er am Vormittag mit seinem russischen Kollegen Anton Siluanow zusammenkommen wollte. Zypern hofft dabei auf eine Verlängerung eines russischen Kredits über 2,5 Milliarden Euro.

6,75 Prozent "Zwangsabgabe" auf Bankguthaben über 20.000 Euro

Das Parlament in Zypern hatte das europäische Maßnahmenpaket zur Vermeidung eines Staatsbankrotts am Dienstagabend abgelehnt. Die abgelehnte Gesetzesvorlage sah zuletzt eine Zwangsabgabe von 6,75 Prozent für Bankguthaben ab 20.000 Euro vor, bei Guthaben von über 100.000 Euro sollte sie 9,9 Prozent betragen. Mit dem Parlamentsvotum entfällt die Voraussetzung für die Zusage der Eurogruppe vom Wochenende, Zypern mit einem Kredit von bis zu zehn Milliarden Euro zu unterstützen. Bedingung dafür war, dass das Land 5,8 Milliarden Euro einnimmt.

Zypern setzt nun auf einen Plan B. Noch am Dienstagabend hatten Russlands Präsident Wladimir Putin und sein zyprischer Kollege Nicos Anastasiades in einem Telefongespräch über mögliche russische Hilfen gesprochen. Putin habe dabei erneut seiner Sorge über Maßnahmen Ausdruck verliehen, die die Interessen russischer Einzelpersonen und Unternehmen schädigen könnten, sagte sein Sprecher Dmitri Peskow der Nachrichtenagentur Interfax. Zypern wird von vermögenden Russen stark als Anlageort genutzt. Örtliche Medien spekulierten unterdessen, der russische Energiekonzern Gazprom könnte möglicherweise Zyperns Banken mit Geld versorgen und im Gegenzug Anteile an zyprischen Offshore-Energiefeldern verlangen.

Bundesfinanzminister Schäuble beharrt auf eigenen Sanierungsbeitrag Zyperns 

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat sich nach dem Scheitern des Rettungspakets für Zypern kompromisslos gezeigt und auf eigenen Sanierungsbeiträgen der Mittelmeerinsel beharrt. Zyperns Geschäftsmodell mit niedrigen Steuern und geringen Kontrollen sei gescheitert, sagte Schäuble am Dienstagabend im ZDF. Dafür sei niemand außer den Zyprern verantwortlich. Das Parlament in Nikosia hatte zuvor die umstrittene Zwangsabgabe für Bankkunden gekippt, die Voraussetzung für Hilfen der EU und des Internationalen Währungsfonds (IWF) für die kleine Insel in Höhe von zehn Milliarden Euro war.

Schäuble sagte, das vom Staatsbankrott bedrohte Zypern habe selbst um Hilfe gebeten. Angesichts eines Bruttoinlandsprodukt von etwas über 17 Milliarden Euro sei eine Eigenleistung der Regierung in Nikosia unabdingbar gewesen. Der CDU-Politiker äußerte Zweifel daran, dass die größten zyprischen Banken ihre Schalter wie bislang geplant am Donnerstag wieder öffnen können. Die beiden größten Institute der Insel seien ohne Hilfe insolvent. Eine Ansteckungsgefahr für anderer Länder der Euro-Zone sehe er nicht. Sie sei heute stabiler als früher. "Wir haben ausreichend Vorsorge getroffen, dass die heutige Entscheidung auf Zypern keine negativen Auswirkungen auf den Rest der Eurozone haben wird", erklärte Schäuble weiter. Weiter sagte er, dass die Zeit für eine Lösung dränge.

"Seit gestern Abend ist die europäische Krise zurück"

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier sieht Europa nach der Ablehnung des Rettungspakets durch das zyprische Parlament in einer kritischen Situation. "Seit gestern Abend ist die europäische Krise zurück", sagte Steinmeier am Mittwoch im ARD-Morgenmagazin. "Das Chaos ist komplett." Verantwortlich sei neben Zypern auch das europäische Krisenmanagement. Mit frontaler Kritik an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hielt sich Steinmeier zurück.

Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel gab am Mittwoch auch der Bundesregierung Schuld an dem Debakel: "Angela Merkel ist mitverantwortlich dafür, dass in Zypern Kleinsparer die Zeche zahlen sollen - aber die Bankeigentümer ungeschoren davonkommen", sagte Gabriel zu "Spiegel Online". Die Kanzlerin habe zugelassen, dass erstmals in der Euro-Krise Kontoinhaber "faktisch teilenteignet" würden. "Sie hat damit das Versprechen, dass sie 2008 gemeinsam mit (dem heutigen SPD-Kanzlerkandidaten) Peer Steinbrück den deutschen Kleinsparern gegeben hat, für die Kleinsparer in ganz Europa verraten", so Gabriel. "Dieses Vertrauen in Europa wieder herzustellen wird schwer." Es sei nicht allein Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gewesen, der mit dem hoch verschuldeten Euroland Zypern verhandelt habe, sondern die Kanzlerin selbst. "Sie hat beim Brüssel-Gipfel die Linie vorgegeben", so Gabriel.

Grünen-Chef Cem Özdemir hält die geplante Zwangsabgabe in Zypern trotz Ablehnung durch das dortige Parlament für richtig. "Der Eigenanteil Zyperns muss bleiben", sagte Özdemir am Mittwoch im Deutschlandfunk. Allerdings müsse man Einlagen über 100 000 Euro noch stärker belasten als bisher geplant.

Wiederstand gegen Rettungsplan hatte sich angekündigt 

"Wir stehen kurz vor einer ungeordneten Pleite", brachte der stellvertretende Chef der Regierungspartei von Präsident Nikos Anastasiades, Averof Neofytou, die Situation des Inselstaats auf den Punkt: Das Geld in der zyprischen Staatskasse reicht nach früheren Regierungsangaben noch bis Mai. 36 von 56 Abgeordneten hatten am Dienstagabend nach einer hitzigen Debatte gegen die Zwangsabgabe abgestimmt. 19 enthielten sich der Stimme. Eine Abgeordnete war nicht anwesend. Dies teilte Parlamentspräsident Giannakis Olirou mit.

Die Ablehnung hatte sich bereits nach dem Beschluss des Rettungspaketes am Wochenende in Brüssel abgezeichnet. Angesichts des wachsenden Widerstandes in Bevölkerung und Parlament war die Abstimmung mehrfach verschoben worden. Die Zwangsabgabe soll 5,8 Milliarden Euro einbringen - und ist Bedingung der Europartner für Kreditzusagen im Umfang von 10 Milliarden Euro.

Die Bundesregierung hatte zuvor noch eindringlich an die zyprischen Abgeordneten appelliert, das Rettungspaket im Parlament zu genehmigen. Andernfalls seien die Hilfen aus dem Euro-Rettungsfonds und die weitere Finanzierung der zyprischen Banken in Gefahr, wurde in Berlin betont. "Das ist schwierig, aber so ist die Lage", hieß es aus Regierungskreisen.

Parlamentsabgeordnete Zyperns sahen Abstimmung als "Frage der Ehre"

Der Stopp der Zwangsabgabe im Parlament stellt die eben erst gewählte Regierung von Präsident Anastasiades auf die Zerreißprobe. Unter dem Druck massiver Proteste hatte die Regierung die einmalige Abgabe für Bankkunden vor der Abstimmung bereits abgeschwächt. Nach der Änderung sollte das Gesetz Guthaben bis zu 20.000 Euro verschonen. Anastasiades hatte die ganze Nacht über versucht, seine Konservativen und die oppositionellen Abgeordneten auf seinen Kurs einzuschwören.

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Das reichte allerdings nicht, um die Parlamentarier zu besänftigen. Während der Debatte sagten mehrere Abgeordnete, es sei "eine Frage der Ehre, Nein zu sagen". Der Präsident der Zentrumspartei (DIKO), Marios Karogian, rief den Parlamentariern zu: "Wir sagen Nein. Und wir sagen Nein für unsere Kinder und Enkel. Vor uns steht nun ein Leidensweg, aber wir werden es schaffen." Draußen vor dem Parlament skandierten Demonstranten: "Wir werden nicht die Sklaven des 21. Jahrhunderts werden." Die Polizei hatte das Parlamentsgebäude weiträumig abgesperrt.

Banken auf Zypern bleiben womöglich bis kommenden Dienstag geschlossen 

Die zyprischen Banken werden voraussichtlich bis kommende Woche Dienstag geschlossen bleiben. Zudem soll es für unbestimmte Zeit Einschränkungen für Überweisungen ins Ausland geben, wie die Nachrichtenagentur dpa aus Kreisen der Regierung und der Zentralbank Zyperns erfuhr. Offiziell wurde dies jedoch nicht bestätigt. Eine Erklärung sollte am Mittwochnachmittag ausgegeben werden.

Geplant wird, dass die Banken auch am Donnerstag und Freitag geschlossen bleiben. Sie sind bereits seit fünf Tagen geschlossen. Am kommenden Montag ist Feiertag auf Zypern. Bis dahin hoffen die Behörden eine Lösung zum Thema des Finanzproblems Zyperns gefunden zu haben. Auch nach der Öffnung werde es jedoch eine Sperre für Überweisungen ins Ausland geben. Ein entsprechendes Gesetz wurde am Mittwoch ausgearbeitet, hieß es aus Kreisen der Zentralbank.

Zyprische Kirche bietet Staat ihr gesamtes Geld an

Die zyprische Kirche bietet dem Staat zur Überwindung der Krise ihr gesamtes Geld an. "Die Kirche und die Klöster werden für die Rettung des Landes alles zur Verfügung stellen", erklärte der zyprische Erzbischof Chrysostomos nach einem Treffen mit Zyperns Staatspräsidenten Nikos Anastasiades am Mittwoch. Zyperns Parlament hatte am Dienstagabend die geplante Zwangsabgabe auf Bankguthaben abgelehnt. Die politische Führung in Nikosia sucht fieberhaft nach einem Ausweg aus der drohenden Staatspleite. (dpa/rtr/afp)