Essen. . Finanzexperten und Politiker sehen in der Zwangsabgabe für Zyperns Sparer einen Dammbruch: Erstmals soll Guthaben unterhalb einer Grenze von 100.000 Euro mit einer Steuer belegt werden. Kann so etwas auch in Deutschland drohen? Gab es schon Vergleichbares in der Geschichte?

Auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, am 5. Oktober 2008, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) einen historischen Satz: „Wir sagen den Sparerinnen und Sparern, dass ihre Einlagen sicher sind. Auch dafür steht die Bundesregierung ein.“ Doch was sind diese Worte noch wert nach der Entscheidung der Euro-Länder, zur Rettung Zyperns die Sparer des Landes zur Kasse zu bitten? Und was bedeutet diese Entscheidung für Deutschland? Sind unsere Ersparnisse wirklich noch sicher?

Die Worte der Kanzlerin, sie sollten das Wahlvolk beruhigen. Die Bundesregierung, allen voran Merkel und ihr damaliger Finanzminister Peer Steinbrück (SPD), wollte verhindern, dass Sparer ihre Konten plündern. Tatsächlich regelt das sogenannte Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz seit dem Jahr 1998, dass Guthaben bis 100.000 Euro geschützt sind. Bis 2008 spielte es allerdings keine Rolle in der öffentlichen Wahrnehmung.

Nur zur Abfederung der Pleite einer kleinen Bank

Bürger können laut dem Gesetz allerdings keine Ansprüche gegenüber dem Staat geltend machen, wenn ihre Bank pleite geht. Vielmehr zahlen die Privatbanken in einen gemeinsamen Topf, die sogenannte Entschädigungseinrichtung deutscher Banken, ein, um den Zusammenbruch eines Kreditinstituts aufzufangen und um die Gelder der Sparer zu schützen. Sparkassen und Volksbanken haben eigene Sicherungseinrichtungen.

Als sicher gilt aber auch: Die Sicherungssysteme können nur die Pleite einer kleinen Bank abfedern. Sobald ein systemrelevantes Institut von Pleite bedroht wäre, würden auch die Sicherungssysteme an ihre Grenzen stoßen.

Auch auf EU-Ebene gibt es eine Regelung zur Sicherung der Sparguthaben: Die europäische Einlagensicherung sichert Guthaben bis 100.000 Euro ab. Bis zum heutigen Tage haben die politischen Akteure der Euro-Länder auch peinlich darauf geachtet, dass diese Sicherung nicht in Frage gestellt wird.

„Das ist eine knackeharte Entscheidung“

Doch das Rettungspaket für Zypern und die damit verbundene Zwangsabgabe in Höhe von 6,5 Prozent auf Guthaben bis 100.000 Euro lassen Finanzexperten und Politiker gleichermaßen daran zweifeln, ob diese eherne Regel noch Bestand hat. „Das ist eine knackeharte Entscheidung. Keinem Bankkunden kann man nach dem Zypern-Fall mehr glaubhaft machen, dass die Einlagen bis 100.000 Euro absolut sicher sind“, kommentierte Axel Troost, finanzpolitischer Sprecher der Linkspartei, die Pläne.

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Der haushaltspolitische Sprecher der SPD, Carsten Schneider, sieht in den Entscheidungen ein Problem, das „das Vertrauen in die Finanzstabilität der Euro-Zone insgesamt untergraben kann“. Schneider forderte, Guthaben unter 100.000 Euro freizustellen und das nötige Geld bei höheren Einlagen zu holen.

Auch der Chef der Hypovereinsbank, Theodor Weimer, hält Zwangsabgaben für Sparer wie in Zypern für den falschen Weg. „Dass das Beispiel nicht Schule machen darf, ist für mich ganz klar“, sagte Weimer am Montag in München. Niemand könne es gutheißen, wenn Sparer belangt werden. „Wenn Menschen Geld zurücklegen und sparen und am Ende für Fehler des Systems herhalten müssen, halte ich das nicht für richtig.“

Kompromiss keine Erfindung der deutschen Regierung

Und Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte, der Kompromiss sei keine Erfindung der deutschen Regierung gewesen, die zuletzt wegen scharfer Sparauflagen in vielen Ländern immer wieder heftig kritisiert worden war.

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Dabei hat es auch in der deutschen Geschichte ähnliche Entscheidungen gegeben, besondere Investitionen zu stemmen oder Härten abzufedern, die die Volkswirtschaft bedrohen. So hatte das Gesetz über den Lastenausgleich von 1952 das Ziel, Deutschen beizuspringen, die die Folgen des Zweiten Weltkriegs besonders hart zu spüren bekamen. Weil sie vertrieben wurden, weil sie Spätheimkehrer waren, weil sie aus der DDR nach Westdeutschland geflohen sind. Zur Kasse wurden Menschen gebeten, denen auch nach Ende des Krieges erhebliches Vermögen geblieben war. Es wurde zur Hälfte besteuert. Die Abgabe konnte allerdings über 30 Jahre gestreckt werden.

Das Berlinhilfegesetz, im Volksmund Notopfer Berlin genannt, regelte eine Abgabe auf die meisten innerdeutschen Postsendungen. Eine Zwei-Pfennig-Briefmarke musste zusätzlich zum normalen Porto auf Briefe und Pakete geklebt werden. Über diese Abgabe flossen über 400 Millionen D-Mark in die Staatskasse. Der Staat versuchte so erfolgreich die durch die Berlin-Blockade in Not geratenen Hauptstädter zu unterstützen.

„Es ist ein Merkmal einer Garantie, dass sie gilt“

Die Anfang der 80er-Jahre ersonnene Investitionshilfeabgabe sollte den Wohnungsbau in Westdeutschland fördern. Sie war als Ergänzungsabgabe in Höhe von fünf Prozent auf die Einkommenssteuerschuld geplant. Im November 1984 kippte das Bundesverfassungsgericht die Abgabe. Sie sei verfassungswidrig, weil sie die Persönlichkeitsrechte der Kläger beeinträchtige.

Grundsätzlich besteht also die Chance, gerichtlich gegen etwaige Notfall-Pläne der Bundesregierung vorzugehen. Doch dazu muss es auch auf absehbare Zeit nicht kommen, schenkt man den Worten von Kanzlerin Angela Merkel Glauben. Kaum war die Nachricht von der zyprischen Zwangsabgabe durchgedrungen, ließ Regierungssprecher Steffen Seibert wissen: „Es ist ein Merkmal einer Garantie, dass sie gilt.“ Das Versprechen, das Merkel 2008 abgegeben habe, gelte auch weiterhin. Zypern nannte Seibert einen „Sonderfall“. Die Lösung dort habe „keine Parallelen zu anderen Ländern und deswegen auch keine Auswirkungen auf sie“. (mit dpa/rtr)