Berlin. . Das geplante Sterbehilfe-Gesetz geht Teilen der Union nicht weit genug. Nun soll die Justizministerin nachbessern. Im Bundestagswahljahr liegt es damit wohl auf Eis, auch die Opposition reist sich nicht um das heikle Thema.

Vom CDU-Parteitag ist Volker Kauder mit einem Problem zurückgekehrt. Die Delegierten hielten das geplante Gesetz zur Sterbehilfe für zu lasch. Der Fraktionschef ist gefordert. In den nächsten Wochen will er zum „offenen Abend“ einladen. Das ist eine interne Pro-und-Contra-Runde. Da horcht er in seine Fraktion hinein und hört womöglich Argumente, um die FDP für Korrekturen zu gewinnen.

Das Gesetz ist längst zum Reizthema geworden. Für den Abgeordneten Uwe Schummer aus Viersen geht es um eine Frage der Identität der CDU. Das soll der Koalitionspartner, allen voran FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger, bitte respektieren. Ein Überblick über die Debatte, die schon in den nächsten Wochen in Berlin zu eskalieren droht.

Das Problem

2008 schockierte der Hamburger Ex-Senator Roger Kusch die CDU mit einem „Selbsttötungs-Automaten“. Auf seiner Internet-Seite informierte er, damit erstmals beim Suizid einer 79-jährigen Frau geholfen zu haben. In der CDU war man alarmiert.

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Ein Jahr später setzten die Christdemokraten in den Verhandlungen mit der FDP einen dürren Satz im Koalitionsvertrag durch. Er lautet: „Die gewerbsmäßige Vermittlung von Gelegenheiten zur Selbsttötung werden wir unter Strafe stellen.“ Ein Satz mit Folgen. Kritiker Schummer vermutet rückblickend, das Thema sei damals „nicht ausführlich genug“ behandelt worden.

Die kleine Lösung

Gemeint war, dass mit dem Tod keine Geschäfte gemacht werden sollen. Nur ist es „viel einfacher, das Problem zu beschreiben als es rechtlich zu lösen“, wie Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) betont. Es gebe kaum eine Formulierung, „die nicht unterlaufen werden kann“. Bestätigt fühlten sich die Kritiker, als Leutheusser-Schnarrenberger den Koalitionsauftrag rigoros eins zu eins umsetzte. Denn erstens fällt die Abgrenzung zur legalen Suizid-Beihilfe von Ärzten oder Angehörigen schwer. Zweitens ließe sich das Gesetz leicht umgehen. Viele Sterbehilfe-Organisationen arbeiten nicht gewinnorientiert: Stiftungen, Vereine, oft von Spenden finanziert. Sie alle werden vom Gesetz nicht erfasst und bekämen de facto „das Siegel des Erlaubten“, so die Kritiker. Zudem wird im Gesetz die Werbung für Sterbehilfe nicht verboten. Schummer: „Das geht gar nicht.“

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Keine Herzensangelegenheit

Leutheusser-Schnarrenberger sah eigentlich keinen Bedarf für ein Gesetz. Auch ein gesellschaftlicher Konsens werde „sich kaum erreichen lassen“, erklärte sie. Erstmal schob sie den Auftrag vor sich her. Es sei „keine Herzensangelegenheit der Ministerin“, bekannte ihr Sprecher. Manche vermuten, sie habe den Entwurf mit dem Kalkül vorgelegt, die Union werde sich darüber entzweien.

Die Zerreißprobe der Union

Die neue CDU-Vizechefin Julia Klöckner profilierte sich Ende 2012 auf dem Parteitag mit einem Antrag, der die Fraktion unter Druck setzte. Die Kirchen protestierten, vor allem die katholische. Ende 2012 legte der Behindertenbeauftragte gar einen Alternativentwurf vor. Kritiker wie Schummer drohen seither, gegen die offizielle Linie zu stimmen.

Es gibt in der Union zwei Denkschulen. Das Gesetz sei ein erster Schritt, besser als nichts, sagen die einen. Dazu zählt etwa die Rechtspolitikerin Astrid Voßhoff. „Das sind nur 50 von 100 Metern, wir wollen das Ziel erreichen“, hält Kritiker Schummer dagegen.

Opposition in Wartestellung

In der Union erwägt man längst, das Gesetz auf Eis zu legen, um sich im Wahljahr keinen Ärger einzuhandeln. Nach der Wahl im September wäre der Entwurf Makulatur. Man müsste im Parlament eine neue Initiative ergreifen und von vorn anfangen. Für den Grünen-Politiker Jerzy Montag verlangen Schummer und Hüppe ohnehin Unmögliches. Was einem Einzelnen erlaubt sei – Sterbehilfe – „kann einem Verein nicht verboten werden“.

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Die SPD kritisiert, dass der bisherige Gesetzentwurf „viel Raum für Interpretation und damit mehr Probleme“ schaffe. SPD-Fraktionsvize Christine Lambrecht gibt zu bedenken, dass Sterbehilfe nicht nur Sterbetourismus sei. Hilfe beim Sterben geschehe in Kliniken und Hospizen auf ganz legale und humane Weise in der medizinischen Praxis.

Generell aber hält sich die SPD zurück. Soll die schwarz-gelbe Koalition doch ungestört streiten.