Düsseldorf. . Die Flucht von drei jugendlichen Intensivtätern aus einer Erziehungseinrichtung in Dormagen hat Folgen: NRW-Justizminister Thomas Kutschaty hat ein Projekt zum alternativen Strafentzug mit sofortiger Wirkung gestoppt. Pikant: Ende August warb Kutschaty noch für das Projekt, obwohl er von der Flucht wusste.

Nach der Flucht von drei jugendlichen Intensivtätern aus einer Dormagener Erziehungseinrichtung hat NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) das Modellprojekt „Jugendstrafvollzug in freien Formen“ mit sofortiger Wirkung gestoppt. Kutschaty begründete dies mit fehlender parlamentarischer Unterstützung für das Ausprobieren von neuen Wegen im Umgang mit Jugendstraftätern in NRW.

CDU und FDP hatten dem Justizminister vorgeworfen, „Tage der offenen Tür“ in Kauf zu nehmen und Pannen verschleiert zu haben. „Kutschaty ist mit seinem Ansatz krachend gescheitert“, so CDU-Fraktionsvize Peter Biesenbach.

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Bereits am 19. August waren zwei wegen schwerer Diebstahl- und Gewaltdelikte verurteilte 17-Jährige aus dem Dormagener „Raphaelshaus“ getürmt. Dort sollten sie ab 1. August anstelle einer Gefängnishaft ein neuartiges Pädagogikprogramm aus Sport, Benimm- und Kochkursen absolvieren. Bis heute fehlt von ihnen jede Spur. Ein weiterer 16-jähriger Jugendstraftäter verschwand am 1. September, konnte aber eine Woche später wieder gefasst werden.

Ende August warb Kutschaty noch für das Projekt

Pikant: Noch am 28. August warb Justizminister Kutschaty am Kabinettstisch von Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) für den alternativen Jugendstrafvollzug und erwähnte nach Informationen der WAZ Mediengruppe dabei auch die Fluchten. Die Öffentlichkeit und das Parlament wurden jedoch nicht über die Probleme kurz nach Projektstart informiert.

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„Dass Intensivtäter wochenlang verschollen bleiben und der Minister Stillschweigen bewahrt, ist nicht hinnehmbar“, sagte der FDP-Rechtspolitiker Dirk Wedel. Kutschaty warf der Opposition „Scheinheiligkeit“ vor: „Jeder im politischen Raum wusste, dass dieses Projekt potenziell mit Entweichungen verbunden sein wird“, so der Minister. In Baden-Württemberg werde ein vergleichbares Projekt seit 2003 erprobt und verzeichne eine Fluchtquote von 21 Prozent. Die Opposition habe den von einer überparteilichen Enquete-Kommission erarbeiteten erzieherischen Ansatz im Jugendstrafvollzug mitgetragen und wolle sich nun aus der Verantwortung stehlen.

In NRW sitzen rund 1800 junge Straftäter im Alter von 14 bis 21 Jahren im Gefängnis. Da die Rückfallquote bei 60 Prozent liegt, sollten sechs besonders geeignete Intensivtäter in der spezialisierten Dormagener Erziehungseinrichtung betreut werden.