Greifswald (dapd). Mehr als zwei Drittel aller in Deutschland inhaftierten Jugendstraftäter werden nach ihrer Entlassung aus dem Strafvollzug wieder rückfällig. Auf diese im internationalen Vergleich relativ hohe Rückfallquote verwiesen am Donnerstag Rechtswissenschaftler auf einer Konferenz zum Jugendstrafvollzug in Greifswald. Eine Ursache dafür sei die noch immer unzureichende Vorbereitung der 14- bis 25-Jährigen auf die Zeit nach ihrer Entlassung.

Zwar sei die Rückfallquote dank verbesserter personeller Ausstattungen der 29 Jugendanstalten seit 1994 um neun Prozentpunkte zurückgegangen, sagte der Greifswalder Kriminologieprofessor Frieder Dünkel. "Viele ehemalige Straftäter kommen aber mit der plötzlich wiedergewonnenen Freiheit nicht zurecht, werden unzureichend in die Gesellschaft integriert und begehen erneut Straftaten." Etwa 35 bis 40 Prozent der kriminell rückfälligen Jugendlichen landeten wieder im Gefängnis.

Kritisiert wurde, dass vorgesehene Haftlockerungen wie Freigänge oder Hafturlaub noch relativ selten genutzt werden. So ging nach einer Erhebung der Universität Greifswald die Zahl der urlaubsberechtigten jugendlichen Gefangenen im geschlossenen Vollzug von 8,3 Prozent im Jahre 2006 auf 5,8 Prozent im vergangenen Jahr zurück. Als sogenannte Freigänger werden derzeit nur Jugendstrafgefangene in Bremen, Berlin, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen eingestuft. Die restriktive Praxis führe dazu, dass die jugendlichen Strafgefangenen unzureichend und nicht rechtzeitig auf die Zeit nach der Haft eingestellt würden, sagte Dünkel.

Positiv werteten die etwa 80 Konferenzteilnehmer, dass seit einem entsprechenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts wieder mehr Personal, Sozialarbeiter und Psychologen in den Jugendhaftanstalten eingesetzt werden. So sei im Bundesdurchschnitt inzwischen ein Sozialarbeiter für 17 Gefangene zuständig. Vor vier Jahren hatte ein Pädagoge noch 31 Insassen zu betreuen. Erfreulich sei auch, dass die Zahl der Bewährungshelfer allmählich zunehme, sagte Dünkel.

Handlungsbedarf sehen die Experten vor allem im sogenannten Übergangsmanagement. Beispielhaft seien Projekte wie die "Integrale Straffälligenarbeit" (Istar) in Mecklenburg-Vorpommern, die auf eine Verzahnung von Strafvollzug und Bewährungshilfe zielten, sagte Dünkel. So erhielten in Neustrelitz Betroffene schon während ihrer Haft Kontakt zu ihrem Bewährungshelfer, um die berufliche Wiedereingliederung rechtzeitig vorzubereiten.

Um den Jugendlichen den Neuanfang nach der Haft zu erleichtern, forderten Konferenzteilnehmer die bundesweite Wiedereinführung des Überbrückungsgeldes, das die Jugendlichen während ihrer Haft für die Zeit danach selbst ansparen mussten. Das Überbrückungsgeld war 2008 in einigen Bundesländern, darunter in Mecklenburg-Vorpommern, abgeschafft worden, weil den Betroffenen nach ihrer Entlassung der Bezug von Hartz IV-Bezügen verweigert worden war.

dapd