Düsseldorf. .

NRW-Justiz­minister Thomas Kutschaty (SPD) plant eine Reform des Strafvollzugs. Vor allem im Jugendknast und bei älteren Gefangenen soll sich einiges ändern, wie er im Gespräch mit Tobias Blasius erklärt.

Herr Minister, Sie wollen den Strafvollzug reformieren. In welche Richtung?

Kutschaty: Eine Expertengruppe in meinem Ministerium arbeitet zurzeit an einem Strafvollzugskonzept für Nordrhein-Westfalen, das die Haftanstalten besser für die Zukunft rüsten soll. Dabei geht es um Fragen der Unterbringungsstandards und um künftige Standorte, aber auch um gesamtgesellschaftliche Veränderungen. Die Gefangenenzahl ist landesweit mit rund 17 000 zwar seit Jahren relativ stabil, aber der Anteil älterer Häftlinge nimmt messbar zu. Die Zahl der über ­60-Jährigen, die verurteilt ­werden, ist seit 2002 um über 50 Prozent angestiegen. Darauf müssen wir reagieren.

Wie?

Genauso wie im Leben außerhalb der Gefängnis­mauern stellt sich die Frage, wie man mehr Menschen mit Krankheiten oder Behinderungen in den Alltag der Justizvollzugsanstalten integrieren kann.

Ein besonderes Problem bleibt der Jugendknast.

Der Jugendstrafvollzug soll Schuldausgleich und Resozialisierung herbeiführen, wobei ich Letzteres stärker betonen möchte. Im Kampf gegen zu hohe Rückfallquoten müssen wir die Jugendlichen während der Haft fit machen für die Zeit in Freiheit.

Meine Devise ­lautet: Qualifizieren statt Absitzen. Die durchschnitt­liche Haftzeit im Jugendstrafvollzug liegt bei einem Jahr. Genug Zeit, um die Jugendlichen etwa mit ­Hilfe der Arbeitsagenturen schon hinter Gittern auf ein Berufsleben vorzubereiten.

Bloßes Wegsperren bringt kaum pädagogischen Nutzen

Warum sehen Sie den ­kurzen Jugendarrest so sehr skeptisch?

Ich weiß, dass man in 48 Stunden Wochenend-Arrest keinen neuen ­Menschen formen kann. Aber das bloße Wegsperren in eine Zelle mit Bett und Bibel hat für mich kaum pädagogischen Nutzen. Deswegen arbeiten wir an einem Jugendarrest-Vollzugsgesetz für NRW, das mehr Wert auf erzieherische Kurzzeit-Maßnahmen legen soll.

Anfang 2011 wird die ­Sicherungsverwahrung für Schwerkriminelle reformiert. Können gefährliche Straftäter dadurch weiter hinter Gittern gehalten ­werden?

Das neue Therapie- und ­Unterbringungsgesetz sieht vor, dass Menschen, die unter einer psychischen Störung ­leiden und eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen, künftig in geschlossene Einrichtungen eingewiesen werden können. Voraussetzung sind zwei Gutachten und ein richterlicher Beschluss.

Wir gehen davon aus, dass darunter nicht alle Sicherungsverwahrten fallen werden, die zuletzt entlassen werden mussten. Aber wir werden immerhin einen Teil potenziell gefährlicher Menschen in einem neuen gesicherten Bereich unterbringen können.

Zunächst eine Übergangslösung

Wo wollen Sie die Menschen unterbringen?

Seien Sie sicher: Wenn Zivilgerichte von Januar an auf Antrag der kommunalen ­Ordnungsbehörden die Unterbringung von ehemals ­Sicherungsverwahrten anordnen, wird das Land diese ­Plätze zur Verfügung stellen. Es wird zunächst eine Übergangslösung geben. Mittel­fristig wird jedoch eine eigene Einrichtung geschaffen.

Die Prozesskostenhilfe für Kläger ohne Einkommen ist in NRW – nicht zuletzt aufgrund der Hartz IV-Verfahren – auf über 130 Millionen Euro pro Jahr angestiegen. Werden Sie gegensteuern?

Für mich ist wichtig, dass der Zugang zum Recht allen Bevölkerungsschichten offen steht. Auch derjenige, der kein Geld für einen Anwalt hat, muss sein Recht einklagen können. Insofern stütze ich die Bundesratsinitiative der vorherigen Landesregierung nicht. Prozesskostenhilfe ist aber nur eine Vorfinanzierung, die das Gericht binnen 48 Monaten bei veränderter ­Einkommenssituation wieder zurückfordern kann. Hier wünsche ich mir landesweit eine einheitlichere und kon­sequentere Praxis der Rück­forderung.