Düsseldorf.. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) plant einen neuen Ansatz für jugendliche Straftäter. „Jugendstrafvollzug in freien Formen“ nennt sich das Konzept, bei denen die Täter nicht mehr inhaftiert, sondern in speziellen Kursen betreut werden. Derzeit sitzen in NRW rund 1800 junge Kriminelle im Gefängnis.

Sechs Jahre nach dem Foltermord im Siegburger Jugendgefängnis geht Nordrhein-Westfalen im Umgang mit jungen Straftätern neue Wege. NRW-Justizminister Thomas Kutschaty (SPD) hat im Landeskabinett für einen „Jugendstrafvollzug in freien Formen“ geworben. Dabei würden junge Gefangene nicht mehr hinter Gitter gesteckt, sondern in Jugendhilfe-Einrichtungen mit einem pädagogisch abgestimmten Tagesprogramm aus Frühsport, Schule, Koch- und Benimmkursen aufwändig betreut.

„Kein Kind zurücklassen – das gilt auch im Jugendvollzug. Wir müssen verhindern, dass aus einer Jugendstrafe eine kriminelle Karriere wird. Hierzu gehen wir mit dem Modellprojekt Justizvollzug in freien Formen auch neue Wege“, sagte Kutschaty der WAZ-Gruppe. Das Justizministerium machte deutlich, dass geeignete junge Gefangene bei dieser Strafverbüßung nicht mehr in Gefängniszellen müssten, aber dennoch strengen Regeln unterlägen.

Modellprojekt ist auf drei Jahre angelegt

In den kommenden drei Jahren sollen in einem Modellprojekt zunächst sieben Straftäter in einem spezialisierten Jugendhilfezentrum in Dormagen intensiver gefördert werden, als es bislang in den sieben NRW-Jugendhaftanstalten üblich war. Ziel ist es, Rückfallquoten zu senken und kriminelle Lebensläufe zu vermeiden. Kutschaty will den Erfolg des Präventionsprojektes wissenschaftlich auswerten lassen und diese neue Form des Jugendstrafvollzugs möglicherweise landesweit ausbauen. Vergleichbare Modelle würden auch in Baden-Württemberg, Brandenburg und Sachsen erprobt.

In NRW sitzen zurzeit rund 1800 junge Straftäter im Alter von 14 bis 21 Jahren im Gefängnis. Mehr als die Hälfte von ihnen (54 Prozent) wurde wegen Gewalttaten verurteilt, zweithäufigste Straftat sind Diebstahldelikte (24 Prozent). Für viele bleibt die Jugendstrafe nicht die letzte Verurteilung. Kutschatys Pläne zur Haftvermeidung sollen sich langfristig auch für die Staatskasse auszahlen, da jeder Gefangene den Steuerzahler pro Tag 111,55 Euro kostet.

Studie: "Gewalt ist alltägliche Erscheinung im Jugendstrafvollzug"

Eine Studie des Instituts für Kriminologie der Universität Köln hatte zuletzt die Zustände im NRW-Strafvollzug beleuchtet. Danach hatten 45 Prozent der Häftlinge zugegeben, im Laufe des letzten Jahres einen Mitinsassen körperlich attackiert zu haben. Die Forscher kamen zu dem Schluss, dass Gewalt „alltägliche Erscheinung“ im Jugendstrafvollzug sei.