Berlin/Leipzig/Frankfurt. Die Parteichefs der Regierungs-Koalition wollen die Rentenreform noch vor der Bundestagswahl 2013 vorantreiben. Im Oktober soll eine Expertengruppe gebildet werden, die sich um die Ausgestaltung kümmert. Der Arbeitnehmerflügel der CDU plädiert dagegen für eine gemeinsame Lösung mit der SPD.

Die Parteichefs von CDU, CSU und FDP wollen die Rentenreform jetzt vorantreiben. Nach Informationen der Zeitung "Die Welt" wollen sie in den kommenden Wochen eine Grundsatzentscheidung treffen, wie eine Rentenreform aussehen könnte. Mitte Oktober soll dann eine Arbeitsgruppe mit den Rentenexperten der Parteien gebildet werden, die sich in Abstimmung mit dem Arbeitsministerium um die konkrete Ausgestaltung kümmert.

In den vergangenen Wochen hatte Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) mit ihrem Vorstoß zur Einführung einer Zuschussrente für heftige Verstimmung in den Koalitionsparteien gesorgt.

Der Arbeitnehmerflügel der CDU hat sich im Rentenstreit dagegen für einen Schulterschluss von Union und SPD ausgesprochen. In einem Interview mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" sagte Karl-Josef Laumann, Vorsitzender der Christlich-Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA): "Es ist gute Tradition, in Rentenfragen einen Konsens zwischen Bundesregierung und stärkster Oppositionspartei zu finden. Den sollten wir erneut anstreben." Die Probleme der drohenden Altersarmut müssten noch vor der Bundestagswahl gelöst werden, erklärte Laumann. "Der Union kann nichts Schlimmeres als ein Rentenwahlkampf passieren", warnte er.

Rente als entscheidendes Wahlthema

Die Jungsozialisten und die Linken in der SPD sehen eine klare Aussage der Sozialdemokraten zum künftigen Rentennivau als "wahlentscheidend" an. Juso-Chef Sascha Vogt sagte der "Leipziger Volkszeitung" vor dem Hintergrund des internen Streits um die Höhe des künftigen Rentenniveaus, die SPD müsse für eine Rente stehen, die allen Menschen im Alter ein gutes Leben ermöglicht. Davon sei man derzeit "weit entfernt". Für Vogt ist die Frage des Rentenniveaus "ein extrem wichtiger Baustein".

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Die Wortführerin der SPD-Linken, die Bundestagsabgeordnete Hilde Mattheis, hält die Garantie der Lebensstandardsicherung durch die gesetzliche Rente für die SPD "politisch überlebensnotwendig". Das Rentenniveau müsse auf dem heutigen Stand mit 51 Prozent festgeschrieben werden. Es dürfe nicht auf die für 2030 geplante Höhe von nur noch 43 Prozent sinken.

Kritik an Absetzung des Rentenbeitrags

Der Sozialverband Deutschland (SoVD) hat die geplante Absenkung des Rentenbeitragssatzes kritisiert. "Es ist kurzsichtig und unsozial, den Raubbau der gesetzlichen Rente wie selbstverständlich durch den Bundestag zu schleusen", sagte der Präsident des Verbands, Adolf Bauer, der Nachrichtenagentur dapd. "Dem Massenheer betroffener Menschen werden damit dringend benötigte Leistungsverbesserungen versagt", fügte er hinzu. Am Donnerstag berät der Bundestag in erster Lesung über die Senkung des Rentenbeitragssatzes von derzeit 19,6 auf voraussichtlich 19,0 Prozent, die ab 2013 gelten soll.

Bauer beklagte allerdings, dass anstatt der Beitragssenkung die Abschläge bei den Erwerbsminderungsrenten abgeschafft und das Reha-Budget erhöht werden könnten. "Damit wäre viel für die Menschen gewonnen, die mit Rentenabzügen bestraft werden, weil sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeiten können", sagte er. Statt die Rücklagen der gesetzlichen Rente kurzfristig zu verschleudern, müsse die Obergrenze für die Nachhaltigkeitsrücklage angehoben werden. Laut Gesetz muss der Rentenbeitragssatz sinken, wenn die Rücklagen der Deutschen Rentenversicherung eineinhalb Monatsausgaben übersteigen.

Verbraucherschützer warnt vor Rentenkrise 

Der Verbraucherschützer Niels Nauhauser hält die heutige Form der privaten Altersvorsorge für nicht reformierbar. Ein staatlicher Vorsorgefonds solle die bisherigen Modelle wie Riester-, Rürup- oder Betriebsrente ersetzen, sagte der Finanzexperte der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg im dapd-Interview. "Die Probleme am Markt sind offenkundig und inzwischen auch sehr gut belegt." Die privaten Anbieter hätten mit intransparenten Produkten und schlechter Beratung das Vertrauen verspielt.

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Die Bürger sollten ihr Geld in einen Fonds einzahlen, der nach wissenschaftlichen Kriterien und zu niedrigen Kosten ihr Geld verwalte. Dabei komme auch ein relativ hoher Aktienanteil in Betracht. "Kapitalanlage heißt immer, Risiken einzugehen", sagte Nauhauser. Vorbilder für den Vorsorgefonds gebe es in Schweden und Norwegen.

Vertrauen in kapitalgedeckte Altersvorsorge "abgekratzt"

"Das Vertrauen in die kapitalgedeckte Altersvorsorge ist mindestens abgekratzt", sagte der Verbraucherschützer. "Dafür tragen die Anbieter mit schlechten Produkten und miserabler Beratung die Verantwortung."

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"Wir befinden uns in einer Rentenkrise", erklärte er. "Es geht nicht nur um die Menschen mit niedrigem Einkommen und unterbrochener Erwerbsbiografie, denen Altersarmut droht." Niedrige Zinsen, intransparente Anlageprodukte und hohe Kosten verhinderten, dass die Verbraucher angemessen für das Alter vorsorgen könnten.

Beipackzettel löst Probleme nicht

"Aus individueller Perspektive gibt es viele Verbraucher, für die eine Riester-Rente lohnen kann", räumte Nauhauser ein. Doch trotz der staatlichen Förderung in Form von Zulagen und Steuervorteilen hätten Riester-Verträge für manche Bürger keinen Nutzen oder im Vergleich mit anderen Möglichkeiten sogar Nachteile.

Die nun von der Bundesregierung erwünschten Beipackzettel für Riester-Produkte seien zwar ein Schritt hin zu mehr Transparenz. Er glaube aber nicht daran, dass sich die Probleme damit lösen ließen, sagte Nauhauser. (dapd)