Berlin. . Die SPD arbeitet an einem neuen Konzept gegen die Altersarmut. Kernpunkte sind eine Mindestrente weit über dem Hartz-IV-Niveau für langjährige Beitragszahler und der massive Ausbau von Betriebsrenten. Von einem Abschied von der rot-grünen Rentenreform will die Parteispitze allerdings nichts wissen.

Mit einer garantierten Sockelrente für langjährige Beitragszahler und einem massiven Ausbau der Betriebsrenten will die SPD gegen Altersarmut vorgehen. Das sind nach Informationen der WAZ Mediengruppe bereits gesicherte Eckpunkte eines Rentenkonzepts, das die SPD-Spitze nach der Sommerpause vorlegen wird.

Die Parteiführung dementierte gestern aber Berichte über einen grundlegenden Kurswechsel, der de facto die rot-grüne Rentenreform zurückdrehen würde. Der „Spiegel“ hatte zuvor berichtet, die SPD wolle das Niveau der gesetzlichen Altersversorgung nicht wie bislang vorgesehen bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent des Durchschnittseinkommens absenken, sondern bei rund 50 Prozent nur knapp unter dem heutigen Niveau stabilisieren.

Dieser Eingriff, den die SPD-Linke vehement fordert, würde laut Schätzungen pro Jahr mindestens 20 bis 30 Milliarden Euro kosten, die vom Steuerzahler oder über höhere Rentenbeiträge finanziert werden müssten. SPD-Chef Sigmar Gabriel lehnt das ab, er hatte erst beim Parteitag Ende 2011 einen solchen Beschluss durch eine persönliche Intervention verhindert.

SPD hat Rentenkonzept unter Gabriels Führung erarbeitet

Seitdem ringt die SPD-Spitze um ein Rentenkonzept gegen Altersarmut. Ein Kernpunkt der Pläne, die unter Leitung Gabriels erarbeitet werden, ist eine Sockelrente deutlich über Hartz-IV-Niveau, die bekommen soll, wer mindestens 35 Jahre gearbeitet hat. Im Gespräch ist eine Rentenhöhe von 850 Euro monatlich. Die SPD kalkuliert mit zusätzlichen Lasten für den Bundeshaushalt von zunächst 1,5 bis 2 Milliarden Euro jährlich. Zeiten geringen Verdienstes oder der Arbeitslosigkeit sollen bei der Rentenberechnung höher bewertet werden.

Rente - alt, aber arm?

„Alt aber arm?“ Um die drohende Altersarmut ging es diesmal beim
„Alt aber arm?“ Um die drohende Altersarmut ging es diesmal beim "Reitz-Thema des Monats" in der Volkshochschule Essen. © WAZ
Auf dem Podium saßen Prof. Reinhold Schnabel (Finanzwissenschaftler), Jürgen Liminski (Demographie-Experte), Miriam Gruß (FDP-Bundestagsabgeordnete), Prof. Gerhard Bäcker (Soziologe) und Gerda Kieninger (Landeschefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen).
Auf dem Podium saßen Prof. Reinhold Schnabel (Finanzwissenschaftler), Jürgen Liminski (Demographie-Experte), Miriam Gruß (FDP-Bundestagsabgeordnete), Prof. Gerhard Bäcker (Soziologe) und Gerda Kieninger (Landeschefin der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen). © WAZ
Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ, moderierte die Veranstaltung.
Ulrich Reitz, Chefredakteur der WAZ, moderierte die Veranstaltung. © WAZ
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Miriam Gruß betonte:
Die FDP-Bundestagsabgeordnete Miriam Gruß betonte: "Es darf kein Gegeneinander der Generationen geben, es muss ein Miteinander geben. Meine Großeltern und Eltern wollen auch, dass es mir im Alter gut geht." © WAZ
Soziologe Gerhard Bäcker (Uni Duisburg/Essen) erklärte, die Grundsicherung sei zu niedrig, um Altersarmut zu verhindern.
Soziologe Gerhard Bäcker (Uni Duisburg/Essen) erklärte, die Grundsicherung sei zu niedrig, um Altersarmut zu verhindern. "Langzeitarbeitslose, Niedriglöhner und Menschen mit unterbrochenen Erwerbsbiografien werden Probleme haben." © WAZ
Gerda Kieninger, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, sieht auch Frauen als Risikogruppe:
Gerda Kieninger, Landesvorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Sozialdemokratischer Frauen, sieht auch Frauen als Risikogruppe: "Frauen haben oft keine durchgängige Erwerbstätigkeit. Selbst wenn, verdienen sie weniger als Männer." © WAZ
Für Grummeln im Publikum sorgte Reinhold Schnabel, Finanzwissenschaftler der Uni Duisburg/Essen:
Für Grummeln im Publikum sorgte Reinhold Schnabel, Finanzwissenschaftler der Uni Duisburg/Essen: "Ich glaube nicht, dass wir auf ein massives Problem der Altersarmut zulaufen. Das bestreite ich", sagte er. Familien seien viel eher gefährdet als Rentner. © WAZ
Demographie-Experte Jürgen Liminski (links) prophezeite mehr Altersarmut, kritisierte aber auch die Familienpolitik, die Streichung der Eigenheimförderung, die Kindergeld-Kürzung und die Mehrwerterhöhung. (neben Liminski: FDP-Politikerin Miriam Gruß und Soziologe Gerhard Bäcker)
Demographie-Experte Jürgen Liminski (links) prophezeite mehr Altersarmut, kritisierte aber auch die Familienpolitik, die Streichung der Eigenheimförderung, die Kindergeld-Kürzung und die Mehrwerterhöhung. (neben Liminski: FDP-Politikerin Miriam Gruß und Soziologe Gerhard Bäcker) © WAZ
ehr als 100 Gäste waren kurz vor dem EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Portugal in die Essener Volkshochschule gekommen.
ehr als 100 Gäste waren kurz vor dem EM-Viertelfinale zwischen Deutschland und Portugal in die Essener Volkshochschule gekommen. © WAZ
Sie erlebten eine kontroverse Diskussion.
Sie erlebten eine kontroverse Diskussion. © WAZ
Die in der Volkshochschule in der Mehrzahl anwesenden heutigen Rentnerinnen und Rentner wollten mit dem vermittelten Eindruck, ihnen gehe es doch sehr gut,  nicht zufrieden geben.
Die in der Volkshochschule in der Mehrzahl anwesenden heutigen Rentnerinnen und Rentner wollten mit dem vermittelten Eindruck, ihnen gehe es doch sehr gut, nicht zufrieden geben. © WAZ
Die 1,1 Prozent Rentenerhöhung empfanden die wenigsten als großzügig.
Die 1,1 Prozent Rentenerhöhung empfanden die wenigsten als großzügig. © WAZ
Um die Rentenkasse auf eine solidere Basis zu stellen, diskutierte die Runde auch, ob Selbstständige verpflichtet werden sollten, in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen.
Um die Rentenkasse auf eine solidere Basis zu stellen, diskutierte die Runde auch, ob Selbstständige verpflichtet werden sollten, in die staatliche Rentenversicherung einzuzahlen. © WAZ
Einige Fragen der Anwesenden werden noch von den Experten beantwortet und in einer der nächsten WAZ-Ausgaben auszugsweise veröffentlicht.
Einige Fragen der Anwesenden werden noch von den Experten beantwortet und in einer der nächsten WAZ-Ausgaben auszugsweise veröffentlicht. © WAZ
Weitere Impressionen aus dem Publikum ...
Weitere Impressionen aus dem Publikum ... © WAZ
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Zugleich will die SPD die Betriebsrenten ausbauen; Vorschläge aus der Partei, die Betriebsrenten zur Pflicht für alle Unternehmen zu machen, gelten allerdings als politisch nicht durchsetzbar und in der Praxis nicht umsetzbar.

Das Rentenkonzept ist in der SPD das größte Konfliktthema, eine abgestimmte Gesamtlösung liegt offenbar nicht vor. Die SPD-Linke fordert praktisch eine Rücknahme der rot-grünen Reform, die eine Absenkung des Rentenniveaus parallel zum Aufbau der Riester-Rente vorsah. Gabriel steht unter großem Erwartungsdruck des linken Flügels – andererseits wäre eine Rücknahme der rot-grünen Rentenreform eine Kampfansage an die potenziellen Mitbewerber um die Kanzlerkandidatur, Steinbrück und Steinmeier, die diese Rentenreform verteidigen.

Sigmar Gabriel an der RUB

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