Berlin. Im Kampf gegen die Altersarmut wäre eine rasche Einigung zwischen Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) und der SPD möglich – sie wird von beiden Lagern aber nicht gewollt. Wo sind die Unterschiede, wo die Gemeinsamkeiten? Die wichtigsten Punkte im Überblick.

SPD-Chef Sigmar Gabriel machte nach ersten Beratungen seines Konzepts im Parteivorstand gestern deutlich, dass er die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns zur Bedingung für eine Einigung macht. Kritik an Gabriels Konzept, das jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag kosten würde, kommt wie erwartet vom linken Parteiflügel.

Auch das Konzept von Ursula von der Leyen bleibt in der Kritik: Der Koalitionspartner FDP warnte die Ministerin vor „taktischen Spielchen“, eine Konsensrunde mit der SPD ist von der Bundesregierung nicht geplant. Doch wie aussichtsreich wäre ein Einigungsversuch? Die acht wichtigsten Punkte im Überblick:

1 Zuschussrente gegen Solidarrente

Von der Leyen will kleine Renten langjähriger Beitragszahler, die auch privat vorgesorgt haben, per „Zuschussrente“ auf bis zu 850 Euro aufstocken. Voraussetzung: Die Rentner müssen anfangs 30 Beitragsjahre und 40 Versicherungsjahre (dazu zählen z.B. auch Arbeitslosigkeit oder Studium) nachweisen – später steigt die Hürde auf 35 bzw. 45 Jahre. Wichtig: Alle Neu-Rentner ab 2019 müssen spätestens 2014 mit der privaten Vorsorge (etwa Riester) begonnen haben – sonst gehen sie bei der Zuschussrente leer aus.
Und die SPD?
Ihr Modell der „Solidarrente“ hat die selben Eckdaten wie der Leyen-Vorschlag: 850 Euro für langjährige Versicherte (30 Beitragsjahre, 40 Versicherungsjahre). Unterschied: Keine Kopplung an Riester-Rente. Niedrigverdiener mit 35 bis 39 Versicherungsjahren, die keine Solidarrente bekommen, sollen wenigstens bei der Rentenberechnung besser gestellt werden.

2 Finanzierung – Beiträgestatt Steuergelder?

Ein Knackpunkt, aber Kompromiss möglich. Von der Leyen will die Gelder überwiegend aus Beitragsmitteln aufbringen, weil der Finanzminister mauert. 2013 sollen rund 25.000 Senioren von der Zuschussrente profitieren, 2030 etwa 1,4 Millionen Rentner, das würde 3 Milliarden Euro kosten.
Die SPD
will die Solidarrente aus Steuermitteln finanzieren, nicht aus Beiträgen – sie kalkuliert mit einer Milliarde Euro, das reicht aber nicht. Fazit: Unterschiede, aber Kompromiss möglich.

SPD und Von der Leyen wollen beide, dass das Rentenniveau sinkt 

3 Rentenniveau soll sinken

Bisher Übereinstimmung. Beide Konzepte halten daran fest, dass das gesetzliche Rentenniveau von derzeit 51 Prozent des durchschnittlichen Bruttoverdienstes auf 43 Prozent im Jahr 2030 sinkt – so wie es Gesetzeslage ist. In der SPD ist das umstritten, möglicherweise setzt die Parteilinke einen Kompromiss (45 Prozent) durch.

4 Rente mit 67 – Start 2030 oder erst später?

Ähnlichkeit. Von der Leyen hält an der schrittweisen Einführung bis 2030 fest.
Die SPD
im Prinzip auch, will den Start aber verschieben, bis sich die Bedingungen in der Arbeitswelt verbessert haben.

5 Riestern gegen Betriebsrente

Zentraler Unterschied. Von der Leyen setzt weiter auf die Riester-Rente, will sie verbraucherfreundlicher machen.
Die SPD
will die Bedeutung der Riester-Rente schrumpfen, als Kernpunkt dafür Betriebsrenten zur „zweiten Säule“ machen: Jeder Arbeitnehmer soll automatisch 2 Prozent des Bruttolohns für die Betriebsrente einzahlen (sofern er nicht widerspricht). Der Staat fördert das pauschal mit 400 Euro pro Jahr (Kosten: 6 Milliarden Euro jährlich). Möglichst alle Beschäftigten sollen eine Betriebsrente bekommen, heute sind es 60 Prozent.

Bei der Erwerbsminderungsrente kommt die SPD den Gewerkschaften entgegen 

6 Erwerbsminderungsrente

Differenzen. Von der Leyen will nur geringfügige Verbesserungen.
Die SPD kommt dagegen den Gewerkschaften mit Blick auf die Rente mit 67 weit entgegen: Wer wegen Krankheit vorzeitig in Rente gehen muss, soll keine Abschläge mehr hinnehmen müssen. Mehrkosten: 7 Milliarden Euro im Jahr.

7 Kindererziehung

Verhandelbar. Von der Leyen will für den Zugang zur Zuschussrente auch bis zu zehn Jahre Kindererziehung oder Pflegearbeit als Beitragsjahre mitzählen.
Die SPD
will eine generelle Besserstellung für die Erziehung auch jener Kinder, die vor 1992 geboren wurden, das wollen Teile der Union auch.

8 Teil-Rente

Große Ähnlichkeit. Von der Leyen und die SPD wollen bei vorzeitigem Ruhestand mehr Zuverdienstmöglichkeiten. Beide fordern auch Schutz für Selbstständige.

Und wie stehen die Chancen für einen Kompromiss?

Trotz allem gering. Keine Seite ist bisher verhandlungsfähig. Von der Leyen wirbt für den großen Konsens mit der SPD, die FDP ist aber dagegen. Die SPD wehrt sich gegen von der Leyens Umarmung, hat eine hohe Hürde eingebaut: Sie besteht auf einem flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn. Mit der Koalition ist das nicht durchsetzbar.