Washington. Ein heimlich aufgenommenes Video bringt Obamas republikanischen Gegenkandidaten Mitt Romney in Verruf. 47 Prozent der Amerikaner, sagt der Multi-Millionär, seien vom Staat und dessen Leistungen “abhängig“ und werden so oder so Obama wählen. Meinungsumfragen sehen die Chancen des Republikaners deutlich schwinden.

Obama-Herausforderer Mitt Romney bleibt sich selbst der größte Feind. Sieben Wochen Wochen vor der Präsidentschaftswahl in Amerika verstrickt sich der Republikaner immer tiefer in eine Serie von Pannen und Peinlichkeiten. Nach seinen Äußerungen zu den jüngsten Gewaltausbrüchen im arabischen Raum, die in den US-Medien überwiegend als Beleg für mangelnde außenpolitische Trittsicherheit bewertet wurden, bringt den Republikaner jetzt eine auf Video festgehaltene Wählerbeschimpfung in Misskredit.

Bei einer privaten Spenden-Gala vor einigen Wochen sagte der Republikaner, dass 47 Prozent der Wähler so oder so für Obama stimmen werden, “weil sie vom Staat abhängig sind, weil sie sich für Opfer halten, die glauben, der Staat trage Verantwortung für sie, weil sie glauben, dass sie einen Anspruch auf Krankenversicherung, Essen und Wohnen und was auch immer haben“. Seine Aufgabe, so Romney, sei es nicht, sich „um diese Leute zu kümmern“, die keine Einkommenssteuer zahlten, und sie davon zu überzeugen, selbst für ihr Leben einzustehen; sie würden sowieso Obama wählen – „egal, was passiert“.

"Beleidigende und spalterische Sicht"

Das Video, vom Magazin „Mother Jones“ veröffentlicht, sorgte am Montagabend für hektische Reaktionen. Das Obama-Lager sprach von „schockierenden“ Einlassungen, die zeigten, von welch spalterischem Geist Romney durchdrungen sei. Seine eigenen Strategen, intern laut Medienberichten über die Positionierung Romneys zerstritten, versuchten die „beleidigende und spaltende Sicht“ des mehrfachen Millionärs (Los Angeles Times) einzufangen. Mitt Romney sei daran gelegen, „alle Amerikaner aus der Abhängigkeit von staatlichen Hilfen zu bringen, indem er zwölf Millionen neue Jobs schafft“, sagte Sprecherin Gail Gitcho. Romney selbst erklärte bei einem Wahlkampf-Termin Kalifornien, er nehme in der Sache nichts zurück, seine Wortwahl sei gleichwohl “nicht sehr elegant” gewesen.

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Demoskopen halten die von einem anonymen Kameramann aufgenommenen Tiraden Romneys für brandgefährlich. Sie zeigten die Distanz des Kandidaten zu den Lebenslagen weiter Teile der Bevölkerung. Bereits jetzt bescheinigen seriöse Meinungsumfragen dem Republikaner klare Rückstände auf den Amtsinhaber. Vor allem in den erwartungsgemäß entscheidenden Bundesstaaten Ohio, Virginia, Florida hat der Multi-Millionär in den vergangenen vier Wochen an Ansehen deutlich eingebüßt. Nach heutiger Berechnung würde Obama alle drei Staaten gewinnen und damit nach Ansicht von Wahlforschern die nötigen 270 Stimmen im Wahlmänner-Gremium gewinnen, das Anfang Dezember auf der Basis des Volksvotums vom 6. November den Präsidenten bestimmt.

Romneys politische Konzepte bleiben vage und unverbindlich

Die renommierte Internet-Seite „Politico“ stellte in ihren Foren bereits die Frage zur Debatte: „Ist die Wahl schon gelaufen?“ Querschnitts-Antwort: Romney hat aus dem Parteikonvent der Republikaner in Tampa keinen Honig saugen können. Seine politischen Konzepte bleiben vage und unverbindlich. Dazu kommen Patzer wie seine Obama-kritischen Einlassungen zu den tödlichen Kollateralschäden des weltweit für Unruhe sorgenden Videos, das den Islam schmäht. Fazit: Gelingt Romney bei den mit Spannung erwarteten Fernseh-Debatten, zu denen nach Schätzungen von Meinungsforschern ab 3. Oktober zwischen 60 und 80 Millionen Amerikaner zwecks abschließender Meinungsbildung einschalten werden, kein Umschwung, dann werde das Weiße Haus in demokratischer Hand bleiben.

Als Besorgnis erregend, konstatiert das konservative „Wall Street Journal“, müsse die Romney-Kampagne empfinden, dass der ehemalige Manager in seiner Domäne, der Wirtschafts- und Arbeitsmarktpolitik, mittlerweile von Obama überholt wird. Das zum Murdoch-Konzern gehörende und im Republikaner-Lager den Takt angebende Blatt brachte einen in Parteikreisen verbreiteten Verdruss über den „Mangel an Substanz“ in der Wahlkampagne Romneys auf den Punkt. Romney möge mit der Phrasendrescherei aufhören („ich werde Amerika zu alter Größe führen“) und endlich nachvollziehbar erklären, wie er sich in punkto Arbeitsmarkt, Steuern, Staatsverschuldung und Bürokratie-Abbau von Obama unterscheiden will.