Tampa/Florida. . Der republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney hat ein Problem. Amerika wird irgendwie nicht warm mit dem mormonischen Multi-Millionär. Kein Wunder bei den Sätzen, die er über sich selbst erzählt.

Alex Castellanos wusste um die Vorlieben seines Auftraggebers für Zahlenkolonnen. Eine Power-Point-Präsentation mit farbigen Balken war also exakt das richtige Mittel. Um Mitt Romney zu erklären, warum er diesmal nicht Präsident werden würde. „Wahrnehmung halbseiden. Aalglatt, nicht menschlich“, tauchte auf dem ersten Schaubild auf. Auf dem zweiten: „Keine Geschichte jenseits von kaltem Business, Olympia-Rettung und einer Amtsführung als Gouverneur, die an einen Vorstandsvorsitzenden erinnert“.

2008 war das. Romney wollte schon damals ins Weiße Haus. Der Vietnam-Veteran John McCain kämpfte ihn parteiintern nieder. Vier Jahre später ist die Defizit-Analyse von PR-Berater Castellanos, hübsch aufgeschrieben in der Biographie von Michael Kranish und Scott Helman („Der wahre Mitt“), unverändert aktuell. Wenn man aktuelle Umfragen übereinander legt, wird das Land einfach nicht warm mit dem Mann, der es zu alter Größe gesund reparieren will. „Mr. Fix it“ hat ein Empathie-Problem.

Wie der Vater, so der Sohn

Wer Mitt Romney wirklich ist, warum er Politik macht und wie schon sein Vater George Präsident werden will, weiß auch nach der offiziellen Nominierung auf dem Republikaner-Parteitag in Tampa immer noch so recht niemand genau. Dabei wird es Zeit. In knapp zehn Wochen könnte der 65-Jährige der 45. Präsident Amerikas werden. Willard Mitt Romney, am 12. März 1947 in Detroit/Michigan geboren, wo sein Vater erst in der Automobilindustrie und später als Gouverneur tiefe Fußstapfen hinterließ, lebt von Jugend an auf dem Milky Way des amerikanischen Traums. Seine Mutter machte Filme mit der Garbo. Sein Urgroßvater war Polygamist in Mexiko. Geld war trotzdem immer da. Nach der Elite-Schule in Detroit, dem Studium der Ökonomie und der Rechte in Harvard wurde Romney Chef einer Privat-Equity-Firma. „Bain Capital“ war darauf spezialisiert, marode Firmen auf Pump zu übernehmen, klein zu sparen und weiter zu verscherbeln. Aus dieser Zeit rühren Tausende geschaffene und vernichtete Arbeitsplätze. Und sein Vermögen. 250 Millionen Dollar. Inklusive der Überzeugung, Amerika sei im Grund auch nur eine derangierte Firma, die es emotionslos zu optimieren gilt. 2002 rettete Romney, der in der Kirche der Mormonen hohe Funktionen bekleidete, die Winterspiele von Salt Lake City vor dem finanziellen Erfrieren. Später übte er sich in Massachusetts bis 2007 mit einigem Geschick als Gouverneur.

Destilliert man die Essenz aus diesen Wegmarken, bleibt ein von der Überlegenheit eines weitgehend unregulierten Kapitalismus überzeugter, misstrauischer Zahlen-Mensch über, der Amerika im Hurra-Stil der 50er Jahre für das wunderbarste Land der Erde hält. Mal so, mal so. Je nach Bedarf am politischen Meinungsmarkt hat Mitt Romney in punkto Abtreibung, Homosexualität, Klimaschutz, Steuerquote, Militär, Waffenbesitz und Gesundheit seine Ansichten im Laufe der Jahre so oft geändert, dass ihm in der republikanischen Partei informell das Ehrenabzeichen „Flip-Flopper des Jahrzehnts“ verliehen wurde.

„Plastic Candidate“

Für ein opportunistisches Chamäleon gehalten zu werden, ist aber nicht Romneys einziges Problem. Der Millionär ist im Alltag der meisten Amerikaner so verwurzelt wie ein frisch gelandeter Marsmensch. „Er spürt den Schmerz und die Abstiegsängste der Mittelschicht nicht“, sagt der konservative Kolumnist George Will, „er hatte nie Schmerzen.“ Es sei denn, das Volk kommt im nahe. Verbindlichkeit gegenüber Fremden zu signalisieren, Fühlung aufzunehmen mit den kleinen Leuten, das fällt dem außerhalb der Familie ungelenk bis autistisch auftretenden Neuengländer schwer.

Sein Image als „plastic candidate“ ohne Kerben in der Lebensrinde gilt als großes Manko im Vergleich zu Amtsinhaber Obama. Der wird gemocht. Weil er von unten kam und den Menschen das Gefühl geben kann, sie zu mögen. Romney sagt, dass er „gern Leute feuert“ und seine Frau „ein paar Cadillacs“ fährt. „Humanizing“, das Mitmenschlichermachen des Kandidaten, ist darum das Gebot der nächsten Wochen. Beim Parteitag in Tampa ordnen sich dem alle Redner unter. Allen voran Ann Romney, seit 42 Jahren seine Ehefrau, mit der er fünf Söhne und 18 Enkelkinder hat. Sie sagte am Abend, Mitt sei ganz anders als die meisten dächten. Vor allem liebevoll und herzensgut. Eben ein Mann „wie ihn Amerika braucht“. Man darf gespannt sein auf die nächste Power-Point-Präsentation von Alex Castellanos.