Essen. . Trotz neuer Umweltzone: Vielerorts im Ruhrgebiet wurden die Jahresgrenzwerte für Feinstaub schon Ende August erreicht oder sogar weit überschritten. Einige Politiker und der ADAC fragen nun erneut nach dem Sinn der Umweltzone. Umwelt-Experten raten zur Geduld und meinen: Die Zone wirkt.

Trotz großer, neuer Umweltzone: Vielerorts im Ruhrgebiet wurden die Jahresgrenzwerte für Feinstaub schon Ende August erreicht oder sogar weit überschritten. So ergaben Daten der Messstation an der Recklinghauser Straße in Herne aktuell bereits 59 Überschreitungstage. Die EU erlaubt aber nur 35 im Jahr. Nicht viel besser ­schneiden die Mülheimer Straße in Oberhausen und die Kurt-Schumacher-Straße in Gelsenkirchen ab. Experten halten Feinstaub für extrem gesundheitsgefährdend.

Einige Kommunalpolitiker fordern angesichts dieser Werte ein radikales Umdenken. „Die Umweltzone hat ­versagt“, findet Frank Bandel, Umweltexperte der CDU im Oberhausener Rat. Auch seine Parteikollegin, die Ratsfrau Heike Steigersdorfer aus Bochum, ­fordert, die Daten neu zu bewerten. Der ADAC in Westfalen hält die flächen­deckende Umweltzone im Revier ­angesichts dieser Messergebnisse für „vollkommen wirkungslos“.

Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz erinnert daran, dass die Umweltzone erst in zwei Jahren ihre volle Wirkung entfalten werde. Dann nämlich dürften nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in diese Zone fahren. Feinstaub habe im Übrigen viele Ursachen.

"Als würde man mit einem Glas Wasser einen Großbrand löschen wollen"

Seit Jahresbeginn hat das Ruhrgebiet eine flächendeckende Umweltzone. Nach Anlaufschwierigkeiten mit der Beschilderung wird nun von der Polizei darauf geachtet, dass ganz alte „Möhrchen“ nicht in dieser Zone unterwegs sind. Dumm nur, dass sich die Luftqualität bisher überhaupt nicht verbessert hat. Feinstaub ist und bleibt ein Thema im Revier. Vielerorts wurden die Grenzwerte schon an über 30 Tagen überschritten. Es geht um Mess-Stationen in Oberhausen, Herne, Essen, Dortmund, Gelsenkirchen und anderen Revierstädten.

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Von Matthias Korfmann

Was also bringt die Umweltzone? „Gar nichts“, sagt Peter Meintz vom ADAC Westfalen, „bei Feinstaub bleibt sie wirkungslos.“ Für Meintz ist die Intention, mit Verkehrsbeschränkungen eine bessere Luftqualität zu erreichen, ähnlich sinnlos wie „der Versuch, mit einem Glas Wasser einen Großbrand zu löschen“. Feinstaub habe viele Ursachen, sagen die Lobbyisten der Autofahrer. Allen voran die Wetterlage, Industrie-Emissionen und private Heizungen. Kraftfahrzeuge zeichneten nur für ein Fünftel der Feinstaub-Menge verantwortlich.

CDU-Kommunalpolitiker aus der Region halten das Experiment Umweltzone für komplett gescheitert. „Die Zone hat versagt. Eine der größten Enteignungsmaßnahmen in der Geschichte dieses Landes hat nichts gebracht, außer immense Kosten bei den Besitzern älterer, noch technisch einwandfreier Fahrzeuge, welche mit Fahrverboten belegt wurden“, wettert Frank Bandel, CDU-Umweltexperte im Oberhausener Stadtrat. Nicht Fahrverbote, sondern das Verstetigen des Verkehres, also das flüssige Vorwärtskommen, vermindere Feinstaub. Ähnlich äußern sich Heike Steigersdorfer von der CDU Bochum und Dirk Schmidt, Geschäftsführer der CDU-Fraktion im Regionalverband Ruhr.

Feinstaub ist ein Krankmacher

Schmidt glaubt, dass es bei der Einrichtung der Zone nur darum gehen kann, „die Spitzen-Werte beim Feinstaub zu kappen“. Er hält es für eine gute Idee, den Lkw-Durchgangsverkehr von der A40 zu holen.

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Was bei der kontrovers geführten Debatte über die Umweltzonen nicht vergessen werden darf: Feinstaub ist ein Krankmacher. Mehrere im Ruhrgebiet durchgeführte Feinstaub-Kohortenstudien zeigen, dass Personen, die nahe einer Hauptverkehrsstraße wohnen, ein um 70 Prozent höheres Risiko haben, an einer Atemwegs- oder Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben als Personen ohne starke Verkehrsbelastung. Es gibt daher Experten, die die Einrichtung einer Umweltzone im Revier sehr begrüßen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) gehört dazu und das Umweltbundesamt.

Johanna Appelhans vom Umweltbundesamt sagt: „Die Feinstaub-Belastung kann nur durch eine Vielzahl von Maßnahmen verringert werden. Die Umweltzonen gehören allerdings zu den wichtigsten. Berlin hat damit gute Erfahrungen gemacht. Die Feinstaub-Belastung konnte laut Senatsverwaltung um sieben Prozent verringert werden, die Zahl der Überschreitungs-Tage um bis zu zehn. Das ist eine deutliche Verbesserung. Feinstaub entsteht aber auch durch Holz-Feuerungen in Haushalten, durch Industrie, Baumaschinen und Schiffsverkehr. Städte können auf verschiedene Weise die Situation verbessern: u.a. mit Umweltzonen, Durchfahrtsverboten für Lkw, einem guten ÖPNV und einem gut ausgebauten Radwegenetz.“

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Lanuv-Sprecher Peter Schütz meint, die Umweltzone Ruhr werde erst ab Juli 2014, „ihre volle Wirkung entfalten“. Dann nämlich werden nur noch grüne Plaketten erlaubt sein. Die Einfahrt mit roter Plakette ist noch bis Januar 2013 gestattet. Eine der größten Feinstaub-Verursacher ist übrigens: das Wetter. Austauscharme Wetterlagen lassen die Grenzwert-Überschreitungen in die Höhe schnellen.