Berlin/Essen. . Die Messwerte an vielen Stationen im Ruhrgebiet sind erhöht. Nun könnten Strafzahlungen an Brüssel fällig werden.

Wehe dem, der in Gelsenkirchen in der Kurt-Schumacher-Straße oder in der Recklinghauser Straße in Herne wohnt. Der läuft Gefahr, mehr krebserregende Rußpartikel einzuatmen als anderswo in NRW. Denn an 79 und 67 Tagen waren dort die Feinstaubwerte im vergangenen Jahr höher als von der EU erlaubt. Dies haben die vorläufigen Messwerte des Umweltbundesamtes ergeben.

Die beiden Revierstädte sind kein Einzelfall. So haben bundesweit 42 Prozent aller Messstationen mehr als 35 Tage zu hohe Emissionswerte angezeigt. Bisher ist das ohne finanzielle Folgen für die Städte und Kommunen geblieben. Denn bis Mitte 2011 durften sie die 35-Tage-Grenze der EU-Luftreinhalterichtlinie überschreiten, ohne gleich sanktioniert zu werden. Nun gilt diese Ausnahmeregel nicht mehr. Stattdessen drohen Strafzahlungen.

Sorge in Gelsenkirchen

Die EU-Bußgelder für Städte, die laut ADAC bis zu 100.000 Euro pro Tag betragen könnten, seien in den Kommunen des Ruhrgebiets bislang kein großes Thema, sagte Ulrich Carow, Bereichsleiter Umwelt im Regionalverband Ruhr. Die Strafen hingen davon an, ob die Städte Maßnahmen zur Reduzierung der Feinstaub-Belastung nachweisen könnten. „Wir haben mit der Einführung der zusammenhängenden Zone einen großen Schritt getan.“

Laut Carow sind die gestiegenen Feinstaubwerte in NRW auch auf meteorologische Einflüsse zurückzuführen: „Wir hatten im Herbst eine lang anhaltende Hochdruck-Wetterlage. Der schlechte Luftaustausch vergrößerte die Probleme.“ Mit Sorge sieht er die Situation in Gelsenkirchen. „Es hat sich gezeigt, dass die Umweltzone als kurzfristige Maßnahme hier nicht das erwartete Ergebnis gebracht hat.“ Neben dem Verkehr müssten nun die Staubemissionen aus Haushalt und Industrie genauer untersucht werden. Die Stadt Gelsenkirchen sei gefordert.

Der ADAC äußerte am Montag heftige Kritik an den Umweltzonen. Nur neun Prozent der Feinstaubbelastung komme von Pkw, sagte Vizepräsident Ulrich Klaus Becker. Eine Umweltzone könne also „gar keinen nennenswerten Beitrag zur Luftverbesserung leisten“. „Es bringt nichts, die Umweltzonen zu verurteilen“, konterte Dorothea Steiner von den Grünen. Vielmehr müsse die Wirtschaft zur Reduzierung der Emissionen mehr beitragen.

Aus Sicht des Landesamts für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz (Lanuv) haben die Umweltzonen dazu beigetragen, dass die Autofahrer im Ruhrgebiet in umweltfreundlichen Fahrzeugen unterwegs sind. Denn Ersatz und Modernisierung der in den Revierstädten gemeldeten Pkw-Flotte haben größere Fortschritte gemacht als dies im übrigen Land der Fall war.

Essener fahren sauber

Es ist das überraschende Ergebnis einer Untersuchung des Aachener Aviso-Instituts für das Lanuv. Lanuv-Experte Andreas Brandt: „Wir haben im Ruhrgebiet eine modernere Flotte als anderswo in NRW“.

Danach hat der Bestand an Fahrzeugen, die vor 1999 zugelassen wurden und damit der schadstoffreichen Klasse 1 angehören, alleine 2008 und 2009 um 25 Prozent abgenommen. Landesweit waren es nur 16 Prozent. Ähnliches gilt für schwere Lkw. Besonders sauber fahren die Essener. 2010 haben hier schon 99 Prozent der Pkw den abgasärmeren Schadstoffklassen 2, 3 und 4 angehört.