Düsseldorf. . Jeder dritte Rentenversicherte in NRW ist akut von Altersarmut bedroht. Die Ursachen sind vielschichtig: zu wenig Vollzeitjobs, ein wachsender Niedriglohnsektor, psychischer Druck am Arbeitsplatz mit der Folge, dass immer mehr Beschäftigte früher aussteigen.
Fast jeder dritte Rentenversicherte in NRW ist von Altersarmut bedroht. Zu diesem Ergebnis kommt der "Renten-Report" des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) in Nordrhein-Westfalen. Demnach ist in den vergangenen 15 Jahren die Altersrente bei Männern von montalich 1050 Euro auf 975 Euro gesunken. Bei Frauen liegt die Monatsrente im Schnitt bei 491 Euro.
Wie entwickeln sich die Renten?
„Erschreckend“ nennt DGB-Landeschef Andreas Meyer-Lauber die Bilanz, die sich auf Daten der Deutschen Rentenversicherung Rheinland stützt. Danach sank die durchschnittliche Altersrente bei Männern in den letzten 15 Jahren von 1050 auf 975 Euro. Frauen erhielten voriges Jahr im Schnitt 491 Euro – 185 Euro weniger als das Existenzminimum. Noch stärker gingen die Erwerbsminderungsrenten zurück. „Armut ist einmal mehr weiblich“, sagt DGB-Vize Sabine Graf.
Warum der Abwärtstrend?
In NRW hat laut Studie jeder vierte Arbeitnehmer keinen unbefristeten Vollzeitjob, gut jeder fünfte ist im Niedriglohnsektor mit Stundenlöhnen unter neun Euro tätig. Das führe dazu, dass fast jeder dritte Versicherte nur sehr geringe Rentenansprüche aufbaue. Graf macht eine Rechnung auf: Eine Mini-Jobberin mit 400 Euro Monatsverdienst müsste theoretisch 165 Jahre für eine Rente von 517 Euro arbeiten – und läge immer noch unter der Grundsicherung (676 Euro).
Wie reagiert die Politik?
„Prekäre Beschäftigung muss zurückgedrängt werden, der Niedriglohnsektor darf nicht weiter ausufern“, sagt NRW-Arbeitsminister Guntram Schneider (SPD). Ansonsten sei Altersarmut die Spätfolge. Er fordert unbefristete feste Arbeitsverhältnisse als „Regel“. Meyer-Lauber plädiert für eine Reform der Mini-Jobs und eine gesetzlichen Mindestlohn von 8,50 Euro als „Notbremse“. Davon würden in NRW eine Million Menschen profitieren.
Wie wirkt sich das frühe Renteneintrittsalter aus?
Es verschärft die Lage. Heute gehen Arbeitnehmer in NRW durchschnittlich mit 60,4 Jahren in Rente, also weit vor dem normalen Rentenalter von 65. Dies zieht teilweise herbe Abschläge bei der Rente nach sich. Etwa jeder zweite Rentner ist betroffen, die Rentenminderung beträgt im Schnitt 113 Euro. Durch die schrittweise Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre wird sich die Situation zuspitzen. Im Jahr 2030, so Graf, werde ein Durchschnittsverdiener 33 – anstatt heute: 27 – Jahre arbeiten müssen, um eine Rente auf Niveau der Grundsicherung zu erhalten.
Warum gehen immer mehr Menschen vorzeitig in Rente?
Die meisten, so Meyer-Lauber, scheiden nicht freiwillig aus. Inzwischen werde jede zweite Erwerbsminderungsrente wegen psychischer Erkrankungen gezahlt. Nach einer DGB-Statistik müssen 16 Prozent der 60- bis 65-Jährigen wegen Entlassung vorzeitig aufgeben, 22 Prozent wegen Erkrankung. Weitere 11 Prozent scheiden früher aus, um einen Angehörigen zu pflegen. Besonders stressbelastet seien Menschen in Gesundheits- und Bauberufen. Sie gehen im Schnitt schon mit unter 60 Jahren in Rente.
Wachsen genügend Beitragszahler nach?
Nein. Die Demografie belastet die Rentenkasse zusätzlich. 2008 kamen noch 100 Beitragszahler für rund 20 Rentner auf. 2030, so die Prognose, werden sie 29 Rentner finanzieren müssen.