An Rhein und Ruhr. . Immer mehr Menschen sind im Alter auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen, um zu überleben. In Nordrhein-Westfalen stieg die Zahl der Empfänger im vergangenen Jahr um 5% auf 214 410 Menschen. Hauptgrund: Die Inflation der 400-Euro-Jobs.
Immer mehr Menschen in Nordrhein-Westfalen sind im Alter oder bei Erwerbsminderung auf Leistungen der Grundsicherung angewiesen, um ihren Lebenswandel zu bestreiten. Die Zahl der Empfänger stieg im vergangenen Jahr um 5% auf 214 410 Menschen, wie das Landesamt für Statistik gestern mitteilte. Im Schnitt benötigten die Empfänger je 447 Euro pro Monat. Experten gehen davon aus, dass künftig noch deutlich mehr Menschen auf Grundsicherung angewiesen sind. 400-Euro-Jobs und Arbeitslosigkeit sorgten dafür, dass die Rente später nicht mehr zum Leben reicht. „Wer in schlechten und unsicheren Jobs arbeiten muss, fällt unweigerlich in Armut“, sagte die Landeschefin des Sozialverbandes Deutschland, Gerda Bertram, gegenüber der NRZ
Und die Experten sind sich einig: Die Zahl der Grundsicherungsempfänger wird weiter zunehmen. „Das ist ein Trend, der anhalten wird“, ist Martin Debener vom Paritätischen Wohlfahrtsverband überzeugt. Den Anstieg der Hilfeempfänger, den das Landesamt für Statistik gestern vermeldete, wertet er als Vorzeichen wachsender Altersarmut. Gefährdet seien weite Teile der Bevölkerung. Um das zu erkennen, genüge der Blick auf die eigene Rentenprognose, die die Versicherungsträger von Zeit zu Zeit herumschicken. Die Summe, die die meisten Bürger auf dem Schreiben erblicken, dürfte kaum reichen, später Pflegestufe II oder III im Heim zu finanzieren.
Mit einem Plus von 5% liegt NRW nach Ansicht von Debener im Bundestrend. In einzelnen Kommunen fällt der Zuwachs allerdings deutlicher aus. Aus Mülheim wird ein Anstieg von 7,2% gemeldet. In Krefeld sind es 7,6 und im Kreis Kleve 5,8%. In einer Großstadt wie Düsseldorf leben mittlerweile mehr als 9200 Menschen von Grundsicherung, in Essen sind es mehr als 7800. Die meisten der Grundsicherungsempfänger sind landesweit 65 Jahre und älter, viele leben in Heimen. „Die Lage wird sich dramatisch verschlechtern“, warnt Manuela Anacker vom Sozialverband VdK. Die Altersarmut werde schon deshalb zunehmen, weil der Niedriglohnsektor ausufere und immer mehr Menschen nicht durchgehend sozialversicherungspflichtige Arbeitsverhältnisse hätten.
Immer mehr psychische Erkrankungen
Allerdings beziehen auch zunehmend junge Menschen Grundsicherung. Landesweit sind es derzeit fast 97 000 Personen. Ein Grund laut Anacker: die wachsende Zahl psychischer Erkrankungen durch den immer höheren Leistungsdruck und die Arbeitsverdichtung – wodurch immer mehr Menschen dauerhaft erwerbsgemindert würden. Laut Rainer Bischoff, dem DGB-Vorsitzenden der Region Niederrhein, ist es nötig, Hilfen für diese Menschen individuell zu verbessern. Die wachsende Zahl von Grundsicherungsempfängern zeige, dass ein großer Teil der Gesellschaft vom Wohlstand abgekoppelt sei.
Was tun? Laut Martin Debener vom Paritätischen Wohlfahrtsverband muss die ausufernde Zahl von zuletzt bundesweit sieben Millionen 400-Euro-Jobs eingegrenzt werden. Es sei auch zu überlegen, diese Beschäftigungsverhältnisse ganz abzuschaffen, weil kaum oder gar nicht in die Rentenkasse eingezahlt wird. Zudem seien gesetzliche Mindestlöhne erforderlich. Ähnlich äußern sich der VdK und Sozialverband Deutschlands (SoVD). Die Landesregierung müsse sich auf Bundesebene für die Abschaffung der Kürzungsfaktoren bei der Rente einsetzen, appelliert die SoVD-Vorsitzende Gerda Bertram zudem.