New York. Der Sondergesandte für Syrien Kofi Annan fordert den Sicherheitsrat auf, mit Konsequenzen zu drohen, falls der syrische Präsident die Gewalt nicht stoppe. Der Druck müsse erhöht werden, so Annan. Die Hoffnungen schwinden, dass sein Sechs-Punkte-Plan umgesetzt werden kann.
Der Sondergesandte Kofi Annan hat die syrische Regierung für das Scheitern seines Friedensplans verantwortlich gemacht. Annan bestätigte damit am Donnerstag in New York das erste Mal, dass sein Plan nicht umgesetzt wird. Er forderte den Weltsicherheitsrat auf, mit Konsequenzen zu drohen, falls der syrische Präsident Baschar Assad die Gewalt nicht stoppe.
Der Sicherheitsrat und die internationale Gemeinschaft müssten den Druck erhöhen, damit der Friedensplan endlich umgesetzt werde, oder andere Möglichkeiten für ein Ende der Gewalt diskutieren, sagte Annan. Die Krise in dem Land werde schon bald außer Kontrolle geraten, sagte er nach Angaben der Diplomaten bei der nicht-öffentlichen Sitzung des Rates am Donnerstag.
Kaum noch Hoffnung für Annans Plan
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon berichtete dem Sicherheitsrat, die UN-Patrouillen in Syrien seien regelmäßig behindert und in einigen Fällen bewusst unter Feuer genommen worden. Er nannte nach Angaben aus UN-Kreisen Beispiele, in denen schwere Waffen, panzerbrechende Munition und eine Drohne eingesetzt wurden. Er sehe die Hoffnungen schwinden, dass Annans Sechs-Punkte-Plan noch Erfolg haben könnte, soll Ban Diplomaten zufolge gesagt haben.
Annan, Ban und der Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elaraby, sprachen zur UN-Vollversammlung und diskutierten danach drei Stunden hinter verschlossenen Türen mit dem Weltsicherheitsrat. Ban sagte bei der Vollversammlung, die Berichte über ein erneutes Massaker seien "schockierend und widerwärtig". Assad und seine Regierung hätten ihre Legitimation eingebüßt. Jede Regierung, "die solche Tötungen Unschuldiger toleriert, hat ihre fundamentale Menschlichkeit verloren", sagte Ban. "Jetzt muss der Sicherheitsrat handeln", sagte Elaraby vor Journalisten.
Schüsse auf UN-Beobachter
Annan betonte, die Staatengemeinschaft solle "geschlossen handeln und mit einer Stimme sprechen". Noch sei es möglich, eine weitere Eskalation der Gewalt und vor allem ein Übergreifen des Konflikts auf Nachbarstaaten zu verhindern.
Der Sondergesandte verurteilte überdies das jüngste Massaker in der Provinz Hama mit Dutzenden Toten und sagte: "Wir dürfen nicht zulassen, dass Massentötungen Teil des täglichen Lebens in Syrien werden." Zuvor waren UN-Beobachter in Syrien beschossen worden, als sie versuchten, sich dem Schauplatz des Massakers zu nähern. Dabei sollen rund 80 Menschen, darunter Frauen und Kinder, erschossen oder erstochen worden sein.
Kontaktgruppe für Syrien?
Der britische UN-Botschafter Mark Lyall Grant forderte eine neue UN-Resolution gegen Syrien. Darin müsse klar genannt werden, welche Sanktionen drohten, wenn die Gewalt nicht gestoppt werde, erklärte er. Der russische UN-Botschafter Vitaly Churkin sagte, die syrische Regierung habe nicht alle Vorgaben des Friedensplans erfüllt, es gebe jedoch "ermutigende Entwicklungen". Er warf der bewaffneten Opposition vor, sie habe bereits angekündigt, den Annan-Plan nicht erfüllen zu wollen. Dies sei eine sehr gefährliche Entwicklung.
Annan sagte, es gebe Diskussionen über die Einrichtung einer Syrien-Kontaktgruppe. Dieser Gruppe könnten Länder angehören, die Einfluss auf beide Seiten im syrischen Konflikt haben. Das könnte auch den Iran einschließen. Annan bezeichnete den Iran als wichtiges Land, von dem er hoffe, dass es Teil der Lösung sein werde. Die amerikanische UN-Botschafterin Susan Rice bezeichnete Teheran dagegen als Teil des Problems, weil es die syrische Regierung unterstütze.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon nannte die Kontaktgruppe eine "nützliche Idee". Noch stehe jedoch nicht fest, welche Länder in der Kontaktgruppe vertreten sein sollten.
SPD fordert Beteiligung des Internationalen Strafgerichtshofs
Der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Hans-Ulrich Klose (SPD), hat mit Blick auf das jüngste Massaker in Syrien die Bundesregierung aufgefordert, den Internationalen Strafgerichtshof einzuschalten. In einem Gespräch mit der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Freitagausgabe) sagte er: "Die Bundesregierung muss jetzt Den Haag anrufen: Chefankläger Luis Moreno Ocampo sollte unverzüglich mit Ermittlungen gegen Baschar al-Assad beginnen." Sofern sich die Vorwürfe gegen den Präsidenten als richtig herausstellten, müsse Anklage erhoben werden.
Eindringlich warnte Klose vor einem "religiösen Flächenbrand" in der Region. "Ich halte es für möglich, dass sich der Konflikt in Syrien zu einem Stellvertreterkrieg zwischen dem sunnitischen Saudi-Arabien und dem schiitischen Iran entwickelt", sagte er. "Es sieht so aus, als sei der Friedensplan von Kofi Annan gescheitert, denn die Mörder in Syrien können sich noch immer auf Russland und China verlassen." (dapd, rtr)