Beirut. In Syrien ist es nach Angaben von Oppositionellen und Aktivisten erneut zu einem Massaker mit zahlreichen Todesopfern gekommen. Internationale Organisationen gehen von über 70 getöteten Menschen aus. Regierungstruppen sollen von Rebellen besetzte Orte mit Granaten beschossen haben.
Berichte über ein neues Massaker in der syrischen Provinz Hama mit zahlreichen Todesopfern haben am Donnerstag Besorgnis und Entsetzen ausgelöst. Die genaue Zahl der Toten sowie die näheren Umstände ließen sich nicht von unabhängiger Seite bestätigten. Das in London ansässige Observatorium für Menschenrechte erklärte am Donnerstag, bei dem Massaker in Masraat al-Kubair nahe Hama seien am Mittwochabend mehrere Dutzend Menschen getötet worden. Die Zählung der Opfer dauere noch an. Die Örtlichen Koordinationskomitees gingen von mindestens 78 Toten aus, darunter Frauen und Kinder.
Regierungsnahe Truppen der Schabiha-Miliz hätten Masraat al-Kubair zunächst mit Granaten beschossen, seien dann in die Ortschaft eingedrungen und hätten Bewohner getötet, erklärten die Koordinationskomitees. Einige der Opfer seien erstochen und einige Leichen verbrannt worden.
Der Vorsitzende des Observatoriums, Rami Abdul-Rahman, forderte die UN-Beobachter auf, das Gebiet umgehend zu besuchen. "Warten Sie nicht bis morgen, um dieses jüngste Massaker zu untersuchen", sagte er an die Beobachter gewandt.
Außenminister Guido Westerwelle reagierte mit großer Besorgnis auf die Meldungen über das neue Massaker. Die Nachrichten, sollten sie zutreffen, seien schockierend und zeigten, "wie dringlich das Handeln der internationalen Gemeinschaft ist", sagte der FDP-Politiker am Donnerstag in Istanbul. Gleichzeitig kündigte der Minister eine Erhöhung der humanitären Hilfe für Syrien um 2,1 Millionen auf dann 7,9 Millionen Euro an. Westerwelle mahnte, das Sterben gehe weiter, "nicht nur dann, wenn wir davon erfahren".
Russlands Außenminister Lawrow kritisiert einseitige Ausrichtung
In der Nacht hatte der Minister an einem Treffen der Freunde Syriens teilgenommen, die sich darauf einigten, einen Plan für die Übergangszeit nach einem Rücktritt von Präsident Baschar Assad auszuarbeiten. Vor Journalisten schloss Westerwelle danach eine Konferenz in größerer Runde nicht aus. Die internationale Gemeinschaft müsse jetzt Kofi Annans neuen Vorschläge genau zuhören, sagte er. "Wir verschließen uns einem Treffen in einem anderen Format nicht", sagte Westerwelle, betonte aber auch, es sei noch zu früh, etwas genaues über den Teilnehmerkreis zu sagen.
Der russische Außenminister Sergej Lawrow hatte kritisiert, dass die Treffen der Freunde Syriens ausschließlich auf die Unterstützung der syrischen Opposition ausgerichtet seien. Lawrow schlug eine Syrien-Konferenz vor, mit der auch die Oppositionsgruppen gedrängt werden sollen, den Friedensplan des internationalen Gesandten Kofi Annan einzuhalten. Lawrow erklärte in Peking, auch der Iran müsse in die Bemühungen einbezogen werden.
Kofi Annan plant Kontaktgruppe für Syrien
Nach Angaben aus Diplomatenkreisen will der internationale Syrien-Gesandte Kofi Annan eine Kontaktgruppe zur Beilegung des seit 15 Monaten andauernden Konflikts einrichten. Der Gruppe sollten Weltmächte und regionale Akteure wie der Iran angehören, erklärten UN-Diplomaten. Einen entsprechenden Plan werde Annan am (heutigen) Donnerstag den Vereinten Nationen vorstellen. Die Kontaktgruppe solle eine Strategie ausarbeiten, wie die Gewalt beendet werden könnte.
Nach dem gut dreistündigen, bis in die späte Nacht dauernden Treffen der Freunde Syriens hieß es aus deutschen Delegationskreisen, bei allen Teilnehmern sei die große Sorge über die andauernde Gewalt in Syrien deutlich geworden. Insbesondere fürchten die Freunde Syriens demnach ein zunehmendes Risiko von Terrorakten sowie die Gefahr einer Ausweitung der Gewalt auf die Region. Die Teilnehmer seien durchgängig der Forderung von Westerwelle gefolgt, Russland stärker in die Verhandlungen einzubinden, hieß es.
Aus Kreisen der US-Delegation verlautete, die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton habe bei dem Treffen einige Grundsätze für die Zeit nach Assad vorgelegt. Da allerdings weder Russland noch China anwesend waren, ist unklar, welche Auswirkungen die Vereinbarungen haben. (dapd)