New York/Beirut. Bei einem Angriff der syrischen Armee auf eine Kleinstadt nahe Homs ist die Zahl der Toten nach Angaben von Aktivisten auf 90 gestiegen. Am Freitag hatten die Oppositionellen noch von 50 Opfern gesprochen. Die Vereinten Nationen sehen die Lage in Syrien düster.
UN-Generalsekretär Ban Ki Moon hat in einem neuen Bericht an den Sicherheitsrat eine düstere Bilanz der Lage in Syrien gezogen. Regierungstruppen begingen weiterhin "massive" Menschenrechtsverstöße und auch die Oppositionellen verschärften ihre Einsätze, erklärte Ban am Freitag. Nach schweren Angriffen in der Stadt Hula mit offenbar mehr als 110 Toten forderte der Syrische Nationalrat eine Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrats.
In dem Land herrsche eine "Atmosphäre der Anspannung, des Misstrauens und der Angst", hieß es in dem Bericht, über den in der kommenden Woche im UN-Sicherheitsrat beraten werden soll. Die Bemühungen der UNO um ein Ende des Konflikts hätten bislang nur "kleine Fortschritte" gezeigt. Die anhaltende Krise sei von "Gewalt, sich verschlechternden humanitären Bedingungen, Menschenrechtsverletzungen und anhaltender politischer Konfrontation" geprägt.
Brutale Gewaltakte in Hula
Viele fürchteten eine weitere Militarisierung des Konflikts und hätten gleichzeitig kaum noch Hoffnungen, dass eine friedliche Beilegung gelingen könne, schrieb Ban weiter. Zwar habe die Anwesenheit von mittlerweile 275 unbewaffneten UN-Beobachtern im Land einen "beruhigenden Effekt" auf die Lage gehabt, insgesamt bleibe das Level der Gewalt im Land aber weiterhin hoch. Beobachter hätten von erheblichen Zerstörungen in zahlreichen Städten berichtet. Ban zufolge kontrollieren die Kämpfer der Opposition mittlerweile erhebliche Teile syrischer Städte.
Der UN-Generalsekretär beklagte vor allem die steigende Zahl von Angriffen in den Städten Damaskus, Aleppo, Hama und Idlib. Die Opposition berichtete zudem von brutalen Gewaltakten in Hula in der zentralen Provinz Homs. Mehr als 110 Menschen seien bei schweren Angriffen und Massakern an ganzen Familien durch syrische Truppen getötet worden, erklärte Bassma Kosmani vom Nationalrat am Samstag. Die Hälfte der Opfer seien Kinder. Der Rat fordere daher das UN-Gremium mit Nachdruck auf, die Lage in Hula zu debattieren und die Verantwortlichkeiten der UNO festzulegen.
Aktivisten werfen UN Untätigkeit vor
Die in London ansässige Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte hatte zuvor ebenfalls von einem "regelrechten Massaker" mit dutzenden Toten in Hula berichtet. Bei den schweren Angriffen seien mehr als 90 Menschen getötet worden, darunter 25 Kinder. Der Chef der Nichtregierungsorganisation, Rami Abdel Rahman, sprach am Samstag erneut von einem Massaker. Der Beschuss Hulas habe am Freitag bis in die späte Nacht angedauert. Viele Menschen seien auf der Flucht. Hula liegt in der Provinz Homs.
Den im benachbarten Homs stationierten UN-Beobachtern warf Rahman Untätigkeit vor. Die Angriffe der Armee hielten seit dem Mittag an und die UN-Beobachter nicht darauf reagiert, erklärte er.
Waffenruhe wird nicht eingehalten
Die syrische Armee rückte am Freitag Aktivisten zufolge außerdem erstmals seit Beginn der landesweiten Massenproteste vor mehr als einem Jahr mit Panzern in die zweitgrößte Stadt Aleppo ein. Eine offiziell seit dem 12. April geltende Waffenruhe wurde bislang nicht eingehalten. Weder die Truppen von Staatschef Baschar al-Assad noch die der Opposition haben bislang den vom Syrien-Gesandten Kofi Annan vorgeschlagenen Sechs-Punkte-Plan umgesetzt. Annan will in der kommenden Woche erneut nach Damaskus reisen.
Unterdessen kam eine Gruppe libanesischer Pilger wieder frei, die am Dienstag im Norden von Syrien entführt worden war. Nach Angaben des libanesischen Gesundheitsministers Ali Hassan Chalil wurden sie am Freitag freigelassen und in die Türkei gebracht. Von dort aus sollte die schiitische Gruppe wieder in den Libanon zurückkehren.