Warschau. . Die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko will am Mittwoch ihren Hungerstreik beenden. Das kündigte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko an, die mit allen Mitteln für das Leben ihrer Mutter kämpft. Sie reiste jetzt auch nach Deutschland, um die Unterstützung der Bundesregierung zu erbitten.

Sie ist aus dem gleichen Holz geschnitzt wie ihre Mutter, das sieht man sofort. Das blond gefärbte Haar, die wachen Augen, der spitze Mund. Jewgenija Timoschenko hat sich am Kiewer Flughafen vor ein paar ukrainische Fahnen gestellt und steht dem Fernsehen Rede und Antwort.

Als Ukrainerin, sagt sie, würde sie einen Boykott der Fußball-Europameisterschaft nicht begrüßen. Aber der Präsident habe ja noch genügend Zeit bis zum Anpfiff, um ihre Mutter Julia freizulassen. „Die Boykottdrohung ist ein wichtiges diplomatisches Signal“, betont sie.

Seit zwei Wochen sind die Augen der Welt auf Jewgenija Timoschenko gerichtet. Denn die 32-Jährige ist nicht nur die einzige Tochter der inhaftierten ukrainischen Ex-Regierungschefin Julia Timoschenko, sie ist nicht nur künftige Millionenerbin. Vor allem hat sie sich zur Stellvertreterin ihrer Mutter gemausert, die aus Protest gegen ihre Haftbedingungen in den Hungerstreik getreten ist. Und wie die „eiserne Julia“ in den orangenen Revolutionstagen kämpft heute die Tochter wie eine Löwin. Sie kämpft um das Leben ihrer Mutter – und um die Demokratie in der Ukraine.

Ihrer Mutter hatte Timoschenko während des Prozesses beigestanden

Seit Wochen pendelt Jewgenija Timoschenko zwischen Kiew, Charkow und Prag. In Kiew wohnt und arbeitet sie, in Charkow sitzt ihre Mutter wegen angeblichen Amtsmissbrauchs im Straflager, nach Prag hat sich ihr Vater Oleksandr vor den Häschern des autoritären Regimes von Staatspräsident Wiktor Janukowitsch geflüchtet. „Ich selbst fühle mich nicht bedroht“, unterstrich die Tochter.

Jewgenija Timoschenko redet prägnant und klar. Auftritte in Washington, wo sie vor dem US-Senat sprach, Brüssel und Straßburg haben sie zum Medienprofi gemacht. In Berlin versuchte sie am Montag, Angela Merkel zu treffen.

Ihrer Mutter hatte sie während des Prozesses im Sommer 2011 medienwirksam die Hand gehalten. Das war lange ganz anders. Denn Jewgenija Timoschenko, die Tochter der berühmten Mutter, war früher vor allem dafür bekannt, dass sie die Öffentlichkeit mied. „Wieso sollte jemand an meinem Leben interessiert sein“, erklärte sie einem Journalisten vor sieben Jahren, als ihre Mutter gerade Premierministerin geworden war.

Wichtige Figur in der Partei der Mutter

Als Jewgenija Timoschenko 14 Jahre alt war, schickten sie ihre Eltern auf ein Internat in der Nähe von London. Sie lebte bereits in England, als ihrer Mutter der Durchbruch gelang. Als Vertraute des damaligen Regierungschefs machte Julia Timoschenko mit Gashandel ein Vermögen. 1996 stieg sie in die Politik ein, gründete ihre eigene Partei, wurde Ministerin und Regierungschefin.

Nur einmal stand Jewgenija im Rampenlicht: Als sie im Oktober 2005 in Kiew den britischen Rocker Sean Carr heiratete. Die Ehe ist kürzlich zerbrochen. Laut Zeitungsberichten soll Jewgenijas Einsatz für ihre inhaftierte Mutter daran schuld sein. Jewgenija Timoschenko äußert sich dazu nicht. Sie hat Wichtigeres zu tun. Vor dem Gefängnis in Charkow sagte sie nach dem Besuch bei ihrer Mutter: „Ich fürchte um ihr Leben.“

Neben dem Anwalt ist sie die einzige, die Julia Timoschenko regelmäßig besuchen darf. Allein dies macht Jewgenija Timoschenko heute zu einer wichtigen Figur der Partei ihrer Mutter. Vor allem junge Ukrainer sehen die 32-jährige bereits als neue Oppositionsführerin. „Ich bin keine Politikerin und will auch keine sein“, lehnte sie diese Rolle kürzlich ab. „Ich persönlich muss einfach weiterkämpfen für meine Mutter.“