Charkiw. . Julia Timoschenko will ihren Hungerstreik beenden, teilt ihre Tochter mit. Ein Arzt von der Berliner Charité hat die ukrainische Oppositionsführerin im Gefängnis getroffen. Seine Einschätzung: Timoschenko muss dringend in ein Krankenhaus verlegt werden. Sie habe einen kränklichen Eindruck gemacht, so der Deutsche.
Die inhaftierte ukrainische Oppositionsführerin Julia Timoschenko will am Mittwoch ihren Hungerstreik beenden. Das sagte ihre Tochter Jewgenija Timoschenko am Dienstag in Charkiw. Die Ex-Regierungschefin, die aus Protest gegen ihre Haftbedingungen seit dem 20. April die Nahrungsaufnahme verweigert, verbüßt derzeit eine siebenjährige Haftstrafe wegen angeblichen Amtsmissbrauchs.
Der deutsche Arzt Lutz Harms von der Berliner Charité hatte die Inhaftierte am Dienstag in der Haftanstalt in Charkiw besucht. Es sei eine Übereinkunft erzielt worden, Timoschenko am Mittwoch in ein Krankenhaus der ostukrainischen Stadt zu verlegen, sagte Harms. Die inhaftierte frühere Regierungschefin sei blass gewesen und habe einen kränklichen Eindruck auf ihn gemacht. Seiner Einschätzung nach reiche eine rein medikamentöse Behandlung der 51-Jährigen nicht aus, sagte Harms.
Deutscher Arzt: "Sie sieht elend aus"
„Der Beginn der Behandlung in einer ukrainischen Einrichtung könnte auch nur der Beginn einer langen Therapie sein“, sagte Harms während einer Pressekonferenz auf dem Gelände der Strafkolonie 54. Der Neurologe besuchte Timoschenko in ihrer Zelle, untersuchte sie jedoch nicht. Timoschenko befindet sich seit dem 20. April im Hungerstreik und leidet laut einem Gutachten der Charité-Professoren Karl Max Einhäupl und Norbert Haas unter anderem an einem Bandscheibenvorfall. Die Politikerin stimmte einer Behandlung in Charkiw nur unter der Bedingung zu, dass sie von Ärzten der Charité betreut würde.
„Unzweifelhaft kann ich aber sagen, dass Frau Timoschenko behandlungsbedürftig ist, sie sieht elend aus“, sagte Harms der dapd. Sie sei durch den Hungerstreik geschwächt, den sie bisher nicht aufgegeben habe, außerdem habe der Bandscheibenvorfall zu chronischen Schmerzen geführt. Eine Therapie sei langwierig, „und ist in drei Tagen und mit Physiotherapie und Tabletten nicht in den Griff zu bekommen“, sagte Harms. Ob eine vollständige Genesung erreicht werden könne, sei aus heutiger Sicht schwer zu sagen.
Ukraine verschiebt Gipfel wegen Boykottdrohungen aus dem Ausland
Am frühen Nachmittag trafen Timoschenkos Anwalt Sergej Wlasenko und ihre Tochter Jewgenija in Charkiw ein. Sie kamen aus Deutschland, wo sie am Montag in Berlin politische Gespräche geführt hatten.
Unter dem Druck aus dem Ausland verschob die ukrainische Regierung unterdessen ein Gipfeltreffen der zentral- und osteuropäischen Staatschefs in Jalta. Das Außenministerium erklärte, das Treffen in Jalta am Schwarzen Meer werde nicht wie geplant am 11. und 12. Mai, sondern zu einem späteren Zeitpunkt stattfinden. Wegen des Streits um den Umgang mit Timoschenko hatten mehrere geladene Länder mit einem Boykott gedroht. Die Ukraine sieht sich auch Kritik aus dem Westen gegenüber: Politiker haben im Streit um Timoschenko zu einem Boykott der EM-Spiele in der Ukraine im Juni aufgerufen. (dapd/afp)