Warschau. . Wegen der anhaltenden Diskussionen über einen EM-Boykott befürchten auch die Polen einen Imageschaden. Nicht wenige empfinden die Boykott-Aufrufe als verlogen. Mit dem Partnerland Ukraine geht Polen dagegen ebenso hart ins Gericht.
In Polen wächst die Sorge wegen der Boykott-Aufrufe zur Fußball-Europmeisterschaft. Zwar gelten die der Ukraine und begründen sich auf die politische Situation im Nachbarland Polens. Doch die als Mitorganisator des Turniers fürchten, dass die Diskussionen auch auf die Stimmung in ihrem Land negativ abfärben könnten. Nicht wenige in Polen empfinden die Boykott-Aufrufe als verlogen.
Am Sonntagmittag war die polnisch-ukrainische EM-Welt für 90 Minuten noch einmal in Ordnung. Im Warschauer Nationalstadion trafen Prominente aus beiden Ländern zusammen, um vor 20.000 Zuschauern ein Wohltätigkeitsspiel auszutragen. „Dieses Spiel war für uns ein Traum“, erklärte Weronika Marczuk, polnische Fernsehschauspielerin mit ukrainischen Wurzeln und Vorsitzende der Vereins „Freunde der Ukraine“, nach dem Schlusspfiff der anwesenden Presse.
Ob das Spiel, das die ukrainischen Stars 3:1 gewannen, Polen und Ukrainer auf eine erfolgreiche EM eingestimmt hat, darf momentan jedoch bezweifelt werden. Zu sehr bestimmen die politischen Schlagzeilen die Diskussionen. Nicht nur in der Ukraine, sondern auch in Polen, wo die Unruhe wächst. Am Freitag sagte Präsident Bronislaw Komorowski: „Die Ereignisse in der Ukraine sorgen wegen der sich nähernden EM auch in Polen für Beunruhigung.“ Noch lauter äußerte seine Sorge der Europaabgeordnete Jacek Saryusz-Wolski. „Ich gebe zu, dass das Verhalten von Präsident Viktor Janukowitsch auch dem Ansehen Polens und der EM schaden kann“, sagte der Politiker der regierenden Tusk-Partei Bürgerplattform der Tageszeitung „Rzeczpospolita“.
Kritische Stimmen gegenüber EU-Politikern
Grund, diese Sorgen so zu äußern, haben die Polen durchaus. Bereits am Freitag hat Viviane Reding, EU-Kommissarin für Justiz, aus Protest gegen die Haft von Julia Timoschenko ihre Teilnahme an dem Eröffnungsspiel der EM abgesagt, das am 8. Juni in Warschau stattfinden wird. Eine Entscheidung, die an der Weichsel auf sehr viel Kritik stieß. „Vielleicht wäre es gut, wenn wir dem Westen klarmachen würden, dass es absurd ist, Polen dafür zu bestrafen, wie die Ukraine mit seiner ehemaligen Ministerpräsidentin umgeht“, schrieb Michal Szuldrzynski, Journalist von „Rzeczpospolita“, in einem Kommentar.
Und Szuldrzynski steht mit seiner Kritik nicht alleine da. Der konservative Europabgeordnete Pawel Kowal bezeichnete die Absage Redings als „fehl am Platze“ und verwies nicht nur auf die EU-Mitgliedschaft Polens, sondern sprach sich auch gegen die Boykottaufrufe aus. Ebenso wie der ehemalige Staatspräsident Aleksander Kwasniewski. „Die Idee der Europäischen Union gefällt mir überhaupt nicht“, sagte Kwasniewski, der während der Orangenen Revolution 2004 eine wichtige Vermittlerrolle spielte, am Montag dem Radiosender TOK FM. Die kritischsten Worte gegenüber den westeuropäischen Boykottaufrufen äußerte jedoch Marcin Bosacki. „Schon die Boykottaufrufe der EM sind ein Missverständnis, aber der Boykott von Spielen in Polen wegen der Situation in der Ukraine, sind noch ein größeres Missverständnis“, erklärte der Pressesprecher des polnischen Außenministeriums.
Deutliche Kritik an der Ukraine
Die Kritik an den westlichen Boykottaufrufen bedeutet jedoch nicht, dass Warschau gegenüber Kiew unkritisch ist. „Die Situation in der Ukraine muss beunruhigen. So können die Anschläge von Dnjepropetrowsk auf das Konto von Wirtschaftskriminellen gehen, die Einfluss auf die ukrainische Politik haben“, sagt Roman Kuzniar, außenpolitischer Berater des polnischen Präsidenten, der dapd. „Man kann die politische Opposition auch nicht durch die Justiz und Gefängnisstrafen bekämpfen“, erklärt Kuzniar weiter.
Wie kritisch Polen der Politik des ukrainischen Präsidenten Viktor Janukowitsch gegenüber steht, zeigten polnische Regierungsvertreter in den vergangen Monaten. Wiederholt forderten sie nicht nur die Haftentlassung von Julia Timoschenko, sondern bemängelten auch den immer autoritärer werdenden Regierungsstil von Janukowitsch.
Dies schon zu einem Zeitpunkt, als der Westen zu den Geschehnissen in der Ukraine schwieg. „Diejenigen, die momentan zum Boykott der EM in der Ukraine aufrufen, waren in der Vergangenheit nicht so konsequent, als es um größere Länder ging“, erklärte der Sprecher des polnischen Außenministeriums und machte aus seiner Verbitterung keinen Hehl. (dapd)