Kiew. Die inhaftierte ukrainische Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko wird ab Dienstag von einem deutschen Arzt behandelt. Ein Arzt aus der Berliner Charité-Klinik ist in die Ukraine gereist, um ihre Behandlung zu übernehmen. Die Gefängnisleitung will ihren Hungerstreik gewaltsam beenden.
Die inhaftierte Oppositionspolitikerin Julia Timoschenko soll ab Dienstag von einem deutschen Arzt in der Ukraine behandelt werden. Sie habe ihre vorläufige Zustimmung erteilt, dafür in ein Krankenhaus in Charkiw verlegt zu werden, teilte der Chef der Berliner Klinik, Karl Max Einhäupl, am Freitag in Charkiw mit. Die unter einem Bandenscheibenvorfall leidende Timoschenko, die sich im Hungerstreik gegen ihre Haftbedingungen befindet, hatte bislang auf einer Behandlung in der Charité bestanden.
Der Vorstandsvorsitzende der Berliner Charité, Karl Max Einhäupl, ist in die Ukraine gereist, um die dort inhaftierte ehemalige Ministerpräsidentin Julia Timoschenko zu besuchen. Das verlautete am Freitag aus offiziellen Kreisen in Kiew. Der Besuch findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.
Zuvor hatte sich auch die Bundesregierung in Berlin bedeckt gehalten. Der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter sagte lediglich, Vertreter der Bundesregierung seien "selbstverständlich" im Kontakt mit ukrainischen Regierungsstellen und bemühten sich "mit allen Kräften" um eine Lösung. Außenamtssprecher Andreas Peschke sagte, eine Lösung des Falls Timoschenko dürfte "noch einige Zeit" dauern.
Einhäupl und ein Team von Ärzten hatte sich schon bereit erklärt, Timoschenko in Berlin zu behandeln. Zuletzt hatten sie die ukrainische Exministerpräsidentin am 13. April im Gefängnis in Charkiw besucht.
Gefängnisleitung bereitet Zwangsernährung vor
Timoschenko droht nach fast zwei Wochen Hungerstreik die Zwangsernährung. Die Gefängnisleitung bereite dies vor, hieß es am Freitag in einem Bericht der Tageszeitung "Segodna". Mitarbeiter des Gefängnisses erklärten, die Politikerin esse seit fast zwei Wochen nichts mehr. "Wir kennen den offiziellen Beginn ihres Hungerstreiks und werden, wenn es nötig wird, eingreifen. Sobald wir die Anweisung dazu bekommen, werden wir mit der Zwangsernährung beginnen", zitierte "Segodna" einen Gefängnismitarbeiter.
Die Familie und die Verteidigung sehen einer Zwangsernährung mit großer Sorge entgegen: "Meine Befürchtung ist, dass man meine Mutter zwangsernährt und dass es dabei zu unvorhersehbaren Zwischenfällen kommt. Die letzten Monate haben gezeigt, es gibt keine Tabus", sagte Jewgenija Timoschenko der dapd.
Gericht müsste Zwangsernährung Timoschenkos anordnen
Die Anordnung zur Zwangsernährung müsste durch ein Gericht erfolgen. Wie die Maßnahmen dann aussehen könnten, schildert "Segodna" so: "Dem Gefangenen wird ein Knebel verpasst, um die Sonde einzuführen. Danach gelangt eine Breimischung bestehend aus Haferflocken oder Gries, Milch, Fett, Fleisch, tierischen Fetten, Zucker, Eier und Ascorbinsäure in den Magen."
Timoschenkos Anwalt Sergej Wlasenko erklärte, Zwangsernährung werde im Rahmen der Europäischen Menschenrechtskonvention als Folter angesehen. Mit einer solchen Aktion würde sich die ukrainische Regierung international noch weiter isolieren. (dapd)