Kairo. . Mehr als ein Jahr nach dem Sturz des ägyptischen Präsidenten Hosni Mubarak wird nun ein neuer Staatspräsident gesucht. Gerüchten zufolge will die Muslimbruderschaft mit dem Militärrat einen gemeinsamen Kandidaten finden. Ende Mai ist dann die erste Wahl, Mitte Juni - falls nötig - die Stichwahl.

Mehr als ein Jahr nach dem Sturz von Husni Mubarak ist in Ägypten der offizielle Startschuss für die Nachfolgersuche gefallen. Ab diesem Samstag können sich Kandidaten für die erste freie Präsidentschaftswahl Ende Mai registrieren lassen. Der seit dem Sturz Mubaraks regierende Militärrat hat zugesagt, nach Bekanntgabe des Siegers Ende Juni die Macht an eine zivile Regierung abzugeben.

Die Präsidentschaftskandidaten haben vier Wochen Zeit, sich registrieren zu lassen. Am 30. April beginnt offiziell der 21-tägige Wahlkampf. Die Präsidentschaftswahl ist für den 23. und 24. Mai angesetzt. Wenn kein Kandidat auf 50 Prozent der Stimmen kommt, gehen die beiden Bestplatzierten am 16. und 17. Juni in die Stichwahl. Den Sieger will die Wahlkommission erst am 21. Juni bekannt geben.

Der Wahlkampf hat noch gar nicht begonnen, schon gibt es sich verdichtende Spekulationen, wonach die Muslimbruderschaft, die mächtigste politische Gruppierung des Landes, hinter den Kulissen mit dem Militärrat zusammenarbeitet, um einen gemeinsamen Kandidaten ins Rennen zu schicken.

Die revolutionäre Jugendbewegung, die die Massenproteste gegen Mubarak angeführt hatte, hat bei den ersten Parlamentswahlen seit dessen Sturz, die im Januar endeten, schlecht abgeschnitten. Viele in der Bewegung fürchten nun, dass die Generäle nach der Amtseinführung eines neuen Präsidenten an der Macht festhalten wollen, indem sie einen ihnen gewogenen Kandidaten unterstützen.

Spekulationen über "Konsenspräsidenten"

Jüngsten Medienberichten zufolge haben die Generäle mit der Muslimbruderschaft, die fast die Mehrheit der Sitze im Parlament hält, bereits über einen "Konsenspräsidenten" verhandelt. Die Muslimbruderschaft bestreitet diese Berichte.

Doch die Befürchtungen, dass sich die mächtigen Muslimbrüder hinter einen den Generälen genehmen Kandidaten stellen könnten, der die Konkurrenz angesichts der mächtigen Unterstützung dann vermutlich aus dem Rennen werfen dürfte, sind dennoch vorhanden.

Die Muslimbruderschaft hat noch nicht angekündigt, welchen Kandidaten sie unterstützen, aber zugesagt, dass es keiner aus den eigenen Reihen sein wird, um die Säkularisten und westlichen Verbündeten zu beschwichtigen, die Sorge vor einer Islamisierung des Landes haben.

Ein Experte für islamische Bewegungen, Chalil el Anani, sagte, die Bruderschaft wolle "eine Marionette", die nicht zu populär und sowohl für Islamisten als auch Militär akzeptabel sei. Die Muslimbrüder hätten nicht diese, sondern die kommenden Präsidentschaftswahlen in vier Jahren für sich ins Auge gefasst. "Sie versuchen, Ängste zu zerstreuen, um ihr politisches Vorhaben zu schützen", sagte er.

So mancher Bewerber hat schon unter Mubarak gedient

Zwei aussichtsreiche Präsidentschaftsanwärter, der ehemalige Generalsekretär der Arabischen Liga, Amr Mussa, und der letzte Ministerpräsident unter Mubarak und ehemalige Luftwaffengeneral Ahmed Schafik, unterhalten gute Beziehungen zum Militär. Mussa ist beliebt bei der ägyptischen Mittelschicht. Er hat Aussagen gemacht, die als Kritik gegenüber der politischen Rolle und den Privilegien für das Militär aufgefasst werden können, doch er wird dennoch als Produkt der Mubarak-Ära gesehen. Schafik ist ein ehemaliger Luftwaffengeneral, der im vergangenen Jahr wegen seiner mutmaßlichen Beziehungen zum Mubarak-Regime als Ministerpräsident zurücktreten musste.

Zu den bekannten Bewerbern zählt auch Abdel Moneim Abul-Fotu, ein gemäßigter Islamist. Er trotzte der Muslimbruderschaft, als er der stärksten politischen Kraft des Landes den Rücken kehrte, um als unabhängiger Kandidat um die Präsidentschaft anzutreten. Da er nicht auf die Stimmen der Bruderschaft zählen kann, hängen seine Chancen davon ab, ob er über politische und ideologische Grenzen hinweg Unterstützung gewinnt. Frostige Beziehungen zum Militär hat auch der ultrakonservative Hassem Abu-Ismail.

Vor Kurzem ist auch der 75-jährige ehemalige Informationsminister Mansur Hassan dem Rennen um das höchste Staatsamt beigetreten. Seine Nominierung heizte Spekulationen über einen Konsenskandidaten an, da er sowohl von Islamisten als auch Militär unterstützt werden dürfte.

Kaum Auswahl für die Jugendbewegung

Die säkulärer Gesinnten in der Jugendbewegung haben indes kaum Auswahl, nachdem das Teilnehmerfeld durch den Rückzug Mohammed ElBaradeis geschwächt wurde: Der Reformpolitiker und Friedensnobelpreisträger verzichtete im Januar auf eine Kandidatur mit der Begründung, unter der Herrschaft des Militärrats seien faire Wahlen unmöglich.

Ihnen bleibt also nur die Wahl zwischen dem jungen Rechtsanwalt und Politneuling Chaled Ali und Abul-Fotu, der gegenüber dem Militär einen herausfordernden Ton angeschlagen und einige liberale Ansichten vertreten hat, sich aber mit den Islamisten und der Muslimbruderschaft identifiziert, und dessen Agenda undurchsichtig bleibt.

Vor gut einem Jahr stürzte Mubarak nach 18-tägigen Massenprotesten gegen seine Herrschaft. Er wurde 2005 für seine letzte Amtszeit gewählt. Es waren die ersten Mehrkandidatenwahlen für das Präsidentschaftsamt in der Geschichte Ägyptens, doch da sie manipuliert wurden, gelten die kommenden Wahlen nun als erste freie Präsidentschaftswahlen überhaupt. Jahrzehntelang wurde das Land autoritär regiert. Die Präsidenten kamen aus den Reihen des Militärs und wurden für gewöhnlich durch ein Referendum bestätigt. (ap)