Berlin. . Im Zuge der Ermittlungen gegen Olaf Glaeseker, den ehemaligen Sprecher von Bundespräsident Christian Wulff, hat die Staatsanwaltschaft Hannover dessen Büro im Bundespräsidialamt durchsucht. Zuvor war Glaeseker der Zutritt verweigert worden.
Razzia am Sitz des Bundespräsidenten: Am Donnerstag durchsuchten ein Staatsanwalt und Beamte des Landeskriminalamts Niedersachsen das Büro des ehemaligen Sprechers von Bundespräsident Christian Wulff, Olaf Glaeseker, im Bundespräsidialamt. Hintergrund sind die Ermittlungen gegen den ehemaligen Wulff-Vertrauten Glaeseker wegen Bestechlichkeit. Der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel, sagte der Nachrichtenagentur dapd am Sonntag, die Durchsuchung habe mehrere Stunden gedauert. Mitgenommen worden seien "schriftliche Unterlagen und Computerdateien", die nun ausgewertet würden.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte Wulff am Wochenende den Rücken gestärkt. Der "Bild am Sonntag", die zuerst über die Razzia berichtete hatte, sagte Merkel auf die Frage, wie viel Zukunft Wulff habe: "Unser Bundespräsident wird viele weitere wichtige Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen." Dagegen legte die SPD in ihrer Kritik an Wulffs Verhalten in der Kreditaffäre nach: Partei-Chef Sigmar Gabriel forderte erneut den Rücktritt des Präsidenten.
Ermittelt wird gegen Glaeseker sowie gegen den Partymanager Manfred Schmidt wegen des Verdachts der Bestechlichkeit im Zusammenhang mit der Dialogreihe Nord-Süd-Dialog, eine Veranstaltungsreihe zwischen den Bundesländern Niedersachsen und Baden-Württemberg. Wulff hatte am 22. Dezember mitgeteilt, dass er sich von Glaeseker getrennt habe. Ermittler hatten Mitte Januar Glaesekers und Schmidts Büros und Privathäuser durchsucht. Das Büro im Bundespräsidialamt war damals nicht betroffen.
Glaeseker soll Präsidialamt-Zutritt verweigert worden sein
Die Sprecherin des Bundespräsidialamts, Petra Diroll, sagte der Nachrichtenagentur dapd, das Bundespräsidialamt habe der Staatsanwaltschaft Hannover nach Bekanntwerden der Ermittlungen gegen Glaeseker mitgeteilt, dass der Ex-Sprecher sein Dienstzimmer im Präsidialamt nach der Entbindung von seinen Aufgaben noch nicht aufgelöst habe.
Lendeckel führte zum Hintergrund des einmaligen Vorgangs aus, dass die Staatsanwaltschaft Hannover Unterlagen von der Staatskanzlei in Hannover und vom Bundespräsidialamt angefordert hatte. Die Staatskanzlei habe die Unterlagen zugestellt. Das Bundespräsidialamt habe die Unterlagen jedoch nicht herausgeben können, da Glaesekers Dienstzimmer "unaufgeräumt" gewesen sei und davon ausgegangen werden musste, dass sich dort auch noch private Unterlagen befinden. Deswegen wurde ein Gerichtsbeschluss benötigt, der auch erwirkt wurde, um die Untersuchung fortzuführen.
Der "Bild am Sonntag" zufolge soll Glaeseker der Zutritt zu seinem Büro an der Pforte des Amtes verweigert worden sein, als er vor wenigen Tagen seine alte Dienststelle aufsuchen wollte.
Neue Vorwürfe wegen Nord-Süd-Dialog
Der "Spiegel" berichtet unterdessen, dass der Partymanager Schmidt eingeräumt habe, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern für den Nord-Süd-Dialog geholfen hat. Ohne die Kontakte und Empfehlungen des damaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und seines Sprechers wäre die Organisation des Events kaum möglich gewesen. Zugleich wies Schmidt den Vorwurf der Staatsanwaltschaft zurück, Glaeseker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben.
Nach einem Bericht von "Zeit online" hat die niedersächsische Landesregierung den Nord-Süd-Dialog stärker unterstützt als bislang bekannt. Demzufolge soll die Norddeutsche Landesbank, die zu mehr als 50 Prozent dem Land gehört, sich finanziell an der Dialogreihe beteiligt haben.
Der "Focus" berichtet ebenfalls von einer engen Verknüpfung zwischen Landesregierung und Nord-Süd-Dialog. Demnach habe Glaeseker im November 2009 in einem Fax an Wulffs damaligen Staatssekretär und heutigen Chef des Bundespräsidialamtes, Lothar Hagebölling, davor gewarnt, dass Forderungen des Flughafens Hannover gegen Nord-Süd-Organisator Manfred Schmidt "unsere Veranstaltung" gefährden könnten.
Opposition kritisiert Merkels Festhalten an Wulff
Die SPD forderte eine Erklärung von Kanzlerin Merkel zu den Vorgängen. "Die ganze Affäre beschädigt nicht nur Christian Wulff, sondern inzwischen auch das Amt des Bundespräsidenten und Deutschlands Ansehen in der ganzen Welt", sagte SPD-Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann der "Welt" (Montagausgabe). Es wäre an der Zeit für einige klärende Worte von Merkel, forderte Oppermann und sagte weiter: "Es reicht."
Parteichef Gabriel forderte Wulff erneut zum Rücktritt auf. "Dass Staatsanwaltschaften Durchsuchungsbeschlüsse für das Bundespräsidialamt fassen, ist ein Tiefpunkt in der demokratischen und politischen Kultur unseres Landes", sagte Gabriel zu Beginn der SPD-Klausurtagung am Sonntag in Potsdam. Mehr als der Kanzlerin eine gemeinsame Kandidatensuche anzubieten, könne man jedoch nicht tun. "Die SPD kann den Rücktritt von Herrn Wulff nicht durchsetzten. Das können nur die, die ihn gewählt haben und das waren CDU/CSU und FDP", sagte Gabriel. Die Grünen-Vorsitzende Claudia Roth warf Merkel vor, aus eigenem "Interesse" an Wulff festzuhalten. "Frau Merkel profitiert offensichtlich von einem angeschlagenen Herrn Wulff." Denn es werde nun gesagt: "Meine Güte, ist die Frau skandalfrei - guckt euch doch mal den Präsidenten an."(dapd)