Berlin. . Die Vorwürfe reißen nicht ab. Nun will die niedersächsische SPD Bundespräsident Christian Wulff verklagen. Wulff soll als damaliger Ministerpräsident dem Landtag im Zusammenhang mit dem Nord-Süd-Dialog die Unwahrheit gesagt haben. Es geht um 3411 Euro Steuergeld - eine vergleichsweise kleine Summe, die für Wulff zum großen Problem werden könnte.

Die Summe ist kaum der Rede wert. Ganze 3411 Euro. Gemessen an den sechsstelligen Sponsorenbeträgen, die üblicherweise verbraten werden, wenn Politiker, Medienmenschen und Wirtschaftsgrößen es sich gemütlich machen, ein Tropfen auf den heißen Stein. Für Christian Wulff indes könnte es der Tropfen sein, der das Fass zum Überlaufen bringt.

„Ein Bundespräsident, der gegen die Verfassung verstoßen hat, kann nicht im Amt bleiben“, sagt Stefan Schostok, Fraktionschef der SPD im niedersächsischen Landtag, die Wulff wegen dieser 3411 Euro jetzt verklagen will.

Und für Schostoks grünen Kollegen Stefan Wenzel ist der Betrag Grund genug, sich so zu äußern: „Wulff ist ein Lügner, und er sollte seinen Hut nehmen, bevor er Recht und Gesetz und Anstand noch mehr in den Dreck zieht.“

Stein des Anstoßes ist erneut der „Nord-Süd-Dialog“, jene mittlerweile berüchtigte Sause, die unter der Schirmherrschaft der damals CDU-regierten Länder Niedersachsen und Baden-Württemberg dreimal hintereinander stattfand, zuletzt im November 2009 in einer Flughafenhalle in Hannover.

Vorwürfe gegen Glaeseker

Kurz vor Weihnachten war Wulffs damals soeben geschasster Sprecher Olaf Glaeseker ins Gerede geraten, weil er sich vom Veranstalter der Nord-Süd-Festlichkeiten, dem „Eventmanager“ Manfred Schmidt, in dessen spanische und italienische Ferienresidenzen habe einladen lassen. Glaeseker war in der Staatskanzlei für die Betreuung des „Dialogs“ zuständig gewesen. Auf die Berichterstattung über den Verdacht hin veranlasste die Staatsanwaltschaft Hannover eine Hausdurchsuchung bei Wulffs Ex-Sprecher. Anscheinend mit Erfolg.

Im Frühjahr 2010 hatte die SPD im Landtag nach der Finanzierung der Party am Flughafen im November 2009 gefragt. Sie wollte wissen, ob dabei auch Landesgeld geflossen war. Nein, antwortete in Wulffs Namen dessen Staatskanzleichef Lothar Hagebölling: „Es handelt sich um eine Privatveranstaltung, es gibt keine Beteiligung oder Finanzierung durch das Land Niedersachsen.“ Das hat inzwischen als widerlegt zu gelten.

Nicht nur hat sich mittlerweile herausgestellt, dass Glaeseker von der Staatskanzlei aus emsig Sponsorenwerbung betrieb. Seit diesem Wochenende steht auch fest, dass das niedersächsische Landwirtschaftsministerium den Kauf von 800 Kochbüchern finanzierte, die, ausgestattet mit einer Vorrede des Ministerpräsidenten, den Gästen des „Nord-Süd-Dialogs“ mit auf den Heimweg gegeben wurden. Die Rechnung lautete auf 3411 Euro. Eindeutig Landesgeld, das Hagebölling den Fragestellern der Opposition verheimlicht hat.

SPD und Grüne: Wulff hat das Parlament belogen

Für SPD und Grüne steht fest: Über diese 3411 Euro hat Wulff das Parlament belogen. Dass der Ministerpräsident, der Glaeseker seinen „siamesischen Zwilling“ nannte, von dessen Treiben nichts gewusst habe, „das ist nicht zu glauben“, sagt der Grüne Wenzel. Schostok sieht einen Verstoß gegen die Landesverfassung. Die SPD will Wulff deswegen verklagen.

Am Sonntag setzte sich Wulff selbst an die Spitze der Rufer nach rückhaltloser Aufklärung. In Berlin begrüßte er das Vorhaben der SPD-Fraktion in Hannover, ihn vor dem Staatsgerichtshof des Landes zu verklagen. "Sollte jetzt doch Steuergeld geflossen sein, hätten wir dem Parlament nicht die Wahrheit gesagt." Das sei ein "ernster Vorgang", dessen juristische Klärung durch das niedersächsische Verfassungsgericht auch er befürworte. Er sei bereit, in einem solchen Verfahren auszusagen.

Einer Umfrage des Instituts Emnid zufolge meinen 53 Prozent, ein Rücktritt Wulffs wäre für das Ansehen Deutschlands besser. Nur 37 Prozent wollen ihn im Amt halten. "Ein Rücktritt des Bundespräsidenten ist fast unausweichhlich", weil er "sich anfällig zeigt für Gefälligkeiten", sagte auch der Hallenser Politikwissenschaftler Everhard Holtmann: "Jemanden, der das ist, kann ich mir nicht guten Gewissens im höchsten Staatsamt vorstellen."