Berlin. Immer neue Enthüllungen bringen Bundespräsident Christian Wulff weiter in Bedrängnis. Wegen Geschenken für den “Nord-Süd-Dialog“ will die SPD in Niedersachsen Wulff vor dem Landesverfassungsgericht verklagen. Derweil schwindet auch der Rückhalt in der Bevölkerung.

Wegen womöglich falscher Angaben zu dem umstrittenen "Nord-Süd-Dialog" will die niedersächsische SPD Bundespräsident Christian Wulff vor dem Landesverfassungsgericht verklagen. Das kündigte SPD-Fraktionschef Stefan Schostok in der "Bild am Sonntag" an.

Die "Hannoversche Allgemeine Zeitung" hatte am Samstag berichtet, das niedersächsische Landwirtschaftsministerium habe für den "Nord-Süd-Dialog" 3411 Euro für Bücher bezahlt, die den Besuchern des Festes von dessen privatem Veranstalter Manfred Schmidt geschenkt worden seien. Konkret geht es um die schriftliche Antwort auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Heiner Bartling, der die Klage auch offiziell einreichen wird. In der Antwort vom 14. April 2010 behauptete die Landesregierung, dass die Staatskanzlei nicht an der Organisation oder Finanzierung des Wirtschaftstreffens beteiligt gewesen war. Die Antwort hatte der damalige Chef der Staatskanzlei, Lothar Hagebölling, unterschrieben. "Er hat sich aber natürlich mit Wulff darüber abgesprochen. Davon ist auszugehen. So etwas beantwortet man nicht am grünen Tisch", sagte Schostok der Nachrichtenagentur dapd.

Christian Wulff dagegen bestreitet, von Zahlungen des Landes Niedersachsen für den "Nord-Süd-Dialog" gewusst zu haben. Die Auskunft im niedersächsischen Landtag, dafür sei kein Steuergeld geflossen, sei "nach bestem Wissen und Gewissen erteilt" worden, sagte Wulff am Sonntag auf der Veranstaltung "Zeit-Matinee" in Berlin. Wenn sich jetzt herausgestellt habe, dass dies doch der Fall gewesen sei, "dann muss das aufgeklärt werden".

An Rücktritt denkt Wulff nicht

Wulff räumte ein, die unter anderem in diesem Zusammenhang gegen seinen früheren Sprecher und engen Vertrauten erhobenen Vorwürfe Olaf Glaeseker seien für ihn "keine einfache Situation". Glaeseker sei jemand, "dem ich viel zu verdanken habe. Für die Aufklärung dieser und weiterer Vorwürfe seien jetzt die Justiz und die Parlamente zuständig. Bis dahin gelte auch für Glaeseker die Unschuldsvermutung. Wulff hob hervor, ihm selbst würden keine solchen Rechtsverstöße vorgeworfen. Er habe zwar Fehler gemacht, doch für die habe er sich entschuldigt.

An Rücktritt denke er nicht, bekräftigte Wulff. Er sei vielleicht auch wegen der Erfahrung mit schwierigen Situationen in seiner Jugend "weniger geneigt, einfach hinzuschmeißen oder davonzulaufen". Wulff musste als Jugendlicher seine kranke Mutter pflegen und sich um seine kleine Schwester kümmern, nachdem erst sein Vater und dann auch der Stiefvater die Familie verlassen hatten.

Wulffs Rückhalt in der Bevölkerung schwindet

Der Bundespräsident verliert unterdessen an Rückhalt in der Bevölkerung. Nach neuen Vorwürfen gegen seinen langjährigen Vertrauten Olaf Glaeseker sprach sich am Wochenende erstmals eine deutliche Mehrheit für einen Rücktritt des Staatsoberhauptes aus. In einer Emnid-Umfrage für die "Bild am Sonntag" sagten 53 Prozent der Befragten, ein Rücktritt Wulffs wäre für das Ansehen Deutschlands besser. Nur 37 Prozent wollten, dass Wulff im Amt bleibt. 55 Prozent waren der Ansicht, Wulff könne dem Amt nicht mehr gerecht werden, 36 Prozent waren anderer Meinung. Emnid befragte dazu am Freitag 500 Bundesbürger.

Eine repräsentative Umfrage von Infratest dimap für die ARD-Sendung "Günther Jauch" ergab, dass nur noch ein Drittel der Bevölkerung (31 Prozent) den Bundespräsidenten für glaubwürdig hält. Im Vergleich zum Beginn seiner Amtszeit bedeute dies einen Verlust von 43 Punkten. Gegenüber Dezember, als die Affäre um den umstrittenen Hauskredit ihren Anfang nahm, verzeichnete Infratest dimap einen Rückgang von 20 Punkten. Die Befragten differenzieren aber offenbar zwischen Amtsträger und Privatperson. Wulff galt der Mehrheit der Befragten (66 Prozent) trotz der Affäre als sympathisch.

Ein Drittel der Deutschen hält Wulff noch für glaubwürdig

Der Fraktionschef der Linken im Bundestag, Gregor Gysi, hat Bundespräsident Christian Wulff einen Rücktritt nahegelegt. Wulff könne sein Amt nicht mehr mit der notwendigen Souveränität ausüben, sagte Gysi am Sonntag im Deutschlandfunk. Er sei jetzt abhängig von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Das können wir uns nicht leisten", sagte Gysi. Deutschland brauche ein Staatsoberhaupt, das überparteilich sei, gegebenenfalls die Regierung kritisiere und "ein Gesetz, das offenkundig grundgesetzwidrig ist, nicht unterzeichnet".

Ein Verbleib Wulffs im Präsidentenamt sei nur denkbar, wenn dieser seine Souveränität wiederherstelle und alle Fakten auf den Tisch lege, sagte Gysi weiter. Die Kraft dazu habe Wulff aber zur Zeit nicht. Wulff steht seit Wochen wegen eines umstrittenen Immobilienkredits, den er während seiner Zeit als Ministerpräsident von Niedersachsen von einem befreundeten Unternehmer annahm, sowie seinem Umgang mit der Affäre in der Kritik. (afp/dapd)