Essen. . In der Kredit-Affäre und dem Streit um den Umgang mit der Presse hat Bundespräsident Christian Wulff Nehmer- und Steherqualitäten bewiesen. Wenn er nicht freiwillig zurücktreten will, lässt sich ein Rücktritt nach derzeitiger Faktenlage nicht erzwingen. Es wird Zeit, das zu akzeptieren.
Bonusmeilen für Vielflieger haben in der deutschen Politik schon einige Rücktritte bewirkt. Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Cem Özdemir etwa hatte, neben anderen Politikern, vor Jahren dienstlich erworbene Vielfliegermeilen widerrechtlich privat genutzt. Als das aufflog, gab Özdemir sein Bundestagsmandat ab. Sechs Jahre danach wurde Cem Özdemir zum Grünen-Chef gewählt, ist bis heute im Amt. Özdemirs Flug-Affäre? Längst vergessen.
Ob man beim Namen Christian Wulff dereinst in der Öffentlichkeit tatsächlich nur weihevolle Momente vor Weihnachsbäumen, auf Diplomaten-Empfängen oder bei Staatsbesuchen in Erinnerung haben wird, ist angesichts des Wirbels um seine Kredit-Affäre und Wulffs hanebüchenen Umgang damit schwer vorstellbar. Dennoch: Die jüngsten Mutmaßungen über die Bonusmeilen-Nutzung des früheren Ministerpräsidenten von Niedersachsen komplettieren allenfalls sein Charakterbild, was nicht für ihn als Bundespräsident spricht. Sie sind jedoch auch ein Beleg dafür, dass die Affäre sich erledigt hat.
Kommt da noch was von Gehalt? Offenbar nicht.
Wulffs Glaubwürdigkeit hat in der Kredit-Affäre enormen Schaden genommen. Ihn als eine moralische Instanz anzuerkennen, fällt schwer. Das Amt des Bewohners von Schloß Bellevue ist allerdings mit einer hohen Moral-Erwartung aufgeladen, im Falle Wulffs scheint der Bundespräsident gleichsam zu einem Papst der deutschen Politik erhöht. Das ist zu viel, das ist zu hoch - jedenfalls für die Person, die aktuell Deutschlands Bundespräsident ist!
Gleichwohl wird es Zeit, dass sich die Wogen glätten - zurück zur Normalität. Dreieinhalb Jahre hat Wulff noch als Bundespräsident. Vielleicht schafft er es, seiner Rolle noch gerecht zu werden. Im TV-Interview mit ARD und ZDF sagte Wulff Anfang Januar: "Nach fünf Jahren wird abgerechnet". Vielleicht war das ein Zeichen auch der Selbsterkenntnis: Nach einer Amtszeit soll Schluss sein. Es wäre ein Lichtblick.
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