Berlin. Sein Name ging nach dem Khashoggi-Mord um die Welt: Jetzt hilft Saudi-Prinz Bin Salman Trump beim Friedensdeal – und bei Geschäften.
Es ist ein fast historisches Treffen: Nur eine Woche nach dem Telefonat von US-Präsident Donald Trump mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin zu Ukraine-Friedensverhandlungen sind am Dienstag erstmals hochrangige Vertreter der USA und Russland zu direkten Gesprächen in Saudi-Arabien zusammengekommen. In der Hauptstadt Riad wollten US-Außenminister Marco Rubio und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow den Weg bahnen für ein geplantes direktes Treffen von Trump und Putin. Auch der Friedensgipfel der beiden Präsidenten soll in Saudi-Arabien stattfinden, nach Trumps Vorstellungen schon „sehr bald“. Trump will, dass dann der saudische Kronprinz und faktische Herrscher Muhammad bin Salman dabei ist.
Eine überraschende Wendung: Warum führt der Weg zu einem möglichen Frieden in der Ukraine über den autokratisch regierten Wüstenstaat? Und warum fällt ausgerechnet Bin Salman die Vermittlerrolle zu – jenem Mann, der im Verdacht steht, den grausamen Mord am saudischen Journalisten Jamal Khashoggi in Auftrag gegeben zu haben. Die „Knochensäge“-Gruseltat löste weltweit Entsetzen aus.
Der Regimekritiker Kashoggi war im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet worden, als er am 2. Oktober 2018 Dokumente für seine Hochzeit abholen wollte. Die Umstände sind bis heute nicht vollständig ermittelt, offenbar wurde er von eigens eingeflogenen Geheimdienstmitarbeitern überwältigt und mit einer Knochensäge zerteilt, die Leichenteile im Garten des Konsulats verbrannt. So fasste später auch der damalige US-Präsident Joe Biden Geheimdienstberichte zusammen: Khashoggi sei ermordet und zerstückelt worden. Er glaube, auf Anweisung des Kronprinzen, sagte Biden.
Wegen des Khashoggi-Mords galt Saudi-Arabien jahrelang als Pariastaat
Dass Bin Salman (Kürzel: MBS) verantwortlich war, darauf liefen die Untersuchungen durch die UN, türkische Ermittler und den amerikanischen CIA hinaus. Der so Verdächtigte erlangte zwar zeitweise als „Knochensäge“-Prinz weltweite Berühmtheit, in Saudi-Arabien wurde aber nicht er, sondern ein Dutzend Geheimdienstagenten vor Gericht gestellt. Nach diesem Verbrechen galt Saudi-Arabien jahrelang als Pariastaat: Biden schränkte Waffenverkäufe an die Golfmonarchie ein, verhängte Sanktionen – auch wenn Saudi-Arabien ein Partner im Nahen Osten blieb, schon als Gegengewicht zum Iran.
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Mit Trump ist das alles vergessen. Er schätzt den Kronprinzen, lobte Bin Salman schon mal als „phantastischen Typen“. Trumps Schwiegersohn Jared Kushner ist sogar mit dem saudischen Multimilliardär befreundet. Die Saudis unterhalten enge Geschäftsverbindungen mit Trump und seinem Umfeld, das zahlt sich nun auf besondere Weise aus. Der saudische Staatsfonds PIF pflegt direkte und indirekte Geschäftsbeziehungen zu Trumps Unternehmensholding Trump Organization, die von saudischen Bauprojekten und von Einnahmen aus einer vom Staatsfonds finanzierten Golf-Tour profitiert. So fasst eine aktuelle Analyse der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), eine vom Bund geförderte Forschungseinrichtung. in Berlin, das Verhältnis zusammen.
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Wie eng diese Beziehungen sind, zeigte sich kurz nach Trumps Wahlsieg, als Yasir Al-Rumayyan, ein enger Vertrauter von Bin Salman und Gouverneur des Staatsfonds, in Trumps Nähe zu sehen war. Besonders eng sind laut SWP-Report die wirtschaftlichen Verbindungen zu Trumps Schwiegersohn. Kushner soll während Trumps erster Amtszeit einer der wichtigsten Fürsprecher Saudi-Arabiens im Weißen Haus gewesen sein, insbesondere nach dem Mord an Khashoggi. „Nach Trumps Ausscheiden aus dem Weißen Haus bekam Kushners privates Beteiligungsunternehmen zwei Milliarden US-Dollar vom PIF zur Vermögensverwaltung übertragen – und das, obwohl es innerhalb des PIF Bedenken hinsichtlich seiner unternehmerischen Fähigkeiten gab“, schreiben der Orientforscher Stephan Roll und die Politikwissenschaftlerin Antonia Thies in der SWP-Analyse.
Gute Beziehungen auch zu Putin: Kronprinz Bin Salman als Vermittler
Auch Tech-Milliardär Elon Musk unterhält Geschäftsbeziehungen zum saudischen Staatsfonds. Es gab zwischendurch Streitigkeiten um eine Tesla-Beteiligung der Saudis, doch konnte Musks KI-Startup xAI auch dank saudischer Beteiligung umfangreiche Kapitalerhöhungen realisieren. Musks Auftritt bei der jährlichen Investorenkonferenz des PIF im Oktober 2024 war für Beobachter ein Hinweis, dass sich beide Seiten wieder angenähert haben. „Saudi-Arabien dürfte dank seiner wirtschaftlichen Verflechtungen über einen vergleichsweise leichten Zugang zu Donald Trump verfügen“, resümiert die SWP-Studie.
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Allerdings: Kronprinz Muhammad bin Salman versteht sich auch gut mit Putin. Deshalb konnte das Königshaus mehrmals erfolgreich zwischen Moskau und Washington vermitteln. Bin Salman hat offenbar eine wichtige Rolle in den Verhandlungen gespielt, die vor wenigen Tagen zur Freilassung des amerikanischen Lehrers Marc Fogel aus einem russischen Gefängnis führten. Er soll auch am großen amerikanisch-russischen Gefangenenaustausch voriges Jahr beteiligt gewesen sein, bei dem unter anderem der „Tiergartenmörder“ Vadim K. aus einem Berliner Gefängnis nach Moskau entlassen wurde.
Auch sonst hat der Golfstaat viel getan, um seine früher einseitige Abhängigkeit von den USA zu reduzieren und sein diplomatisches Gewicht zu erhöhen – zum Beispiel im Verhältnis zu China oder mit einem vorsichtigen Entspannungskurs gegenüber dem Iran. Trump versucht dennoch, an die guten Beziehungen aus seiner ersten Amtszeit anzuknüpfen. Sein großes Ziel ist ein Friedensabkommen zwischen Saudi-Arabien und Israel.
Putin pokert hoch - die Friedensgespräche können schnell scheitern
Ob es so weit kommt, ist unklar, denn nicht alles läuft jetzt harmonisch zwischen ihm und Bin Salman. Trumps Plan, den Gazastreifen unter amerikanischer Regie zu einem Ferienparadies auszubauen, hat das saudische Königshaus entschieden abgelehnt. Sehr harsch im Ton wollte Trump die Saudis kürzlich dazu drängen, durch eine Ausweitung der Fördermengen den Ölpreis zu senken, um Putins Einnahmen aus dem Ölverkauf zu drosseln und so ein Ende des Ukrainekrieges zu befördern. Aber da unterschätzte der US-Präsident, wie eng die Interessen Riads und Moskaus an diesem Punkt beieinanderliegen, er holte sich einen Korb.
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Durchaus möglich, dass schon in Saudi-Arabien auch Trumps Plan für einen raschen Ukraine-Friedensdeal scheitert. Putin pokert offenbar hoch, seinen Außenminister ließ er kurz vor dem ersten Treffen verkünden, Moskau gebe „keine Gedanken daran“, die annektierten Gebiete wieder an die Ukraine abzutreten. Dem Kremlherrscher geht es bei den Verhandlungen erkennbar erstmal um die sichtbare Aufwertung durch die US-Regierung: Er wird durch den Gipfel in Saudi-Arabien wieder Gesprächspartner auf Augenhöhe mit Trump.
Bei dem Vorbereitungstreffen der Außenminister sollte es in erster Linie „um die Wiederherstellung des gesamten Komplexes der russisch-amerikanischen Beziehungen gehen“, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow. Moskau und Washington wollten die derzeitigen „unnormalen Beziehungen“ hinter sich lassen, betont auch Außenminister Lawrow. Er wird vom engen Berater Putins, Juri Uschakow, begleitet, während US-Außenminister Rubio den nationalen Sicherheitsberater Mike Waltz und den Nahost-Sondergesandten Steve Witkoff an seiner Seite hat.
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Ukrainische Vertreter nehmen an dem ersten Treffen nicht teil. Es ist aber ein merkwürdiger Zufall, dass sich der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj zeitgleich in der Region aufhält, er wird am Mittwoch in Saudi-Arabien erwartet. Selenskyj betont, dass er eine völlig unabhängig von den Verhandlungen geplante Reise absolviere. Der Präsident macht aus seinem Unmut über die fehlende Einbeziehung seines Landes keinen Hehl: Unmittelbar vor dem Beginn der Gespräche in Riad drohte Selenskyj an, keine Friedenslösung zu akzeptieren, an der die Ukraine nicht mitgewirkt habe.
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