München. In den nächsten Tagen treffen US-Diplomaten erstmals auf russische Vertreter. Über dem Schicksal der Ukraine liegt große Ungewissheit.
Nach dem Willen der USA soll es jetzt ganz schnell gehen. Außenminister Marco Rubio und sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow haben bereits erstmals miteinander telefoniert. Es soll der Auftakt von weiteren, regelmäßigen Gesprächen sein. US-Präsident Donald Trump drängt auf ein schnelles Ende des Ukraine-Kriegs. Doch zu welchen Bedingungen? Bei der Münchner Sicherheitskonferenz brüskierte der US-Sondergesandte für die Ukraine, Keith Kellogg, die Europäer mit der Ansage, wer aus Sicht der USA an den Verhandlungen teilnehmen soll. Ein Überblick über die wichtigsten Fragen:
Nach dem Willen der Trump-Regierung gehören nur drei Akteure an den Verhandlungstisch: die Ukraine, Russland und die USA. Dies betonte Kellogg am Samstag in München. Später antwortete er auf Nachfrage ausweichend und sagte: „Definieren Sie Tisch“. Es sei aber falsch, zu denken, der US-Präsident werde das allein machen. „Wir haben das nie, er hat das nie gesagt. Es ist alles eine Definition von Begrifflichkeiten“, sagte Kellogg. „Amerika zuerst ist niemals Amerika allein.“
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Ukraine-Krieg: Wer soll an den Friedensgesprächen beteiligt werden?
Das dürfte die Europäer wenig beruhigt haben. Sowohl der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj als auch Bundeskanzler Olaf Scholz und Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz forderten, Europa müsse an Gesprächen beteiligt werden. „Keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine, keine Entscheidungen über Europa ohne Europa“, mahnte Selenskyj. Kellogg ging auf die Forderungen nicht weiter ein. Bis auf Weiteres bleibt es dabei: Die USA wollen ohne die europäischen Länder verhandeln.
Indes starteten diese eine Gegeninitiative: Am Montag treffen sich mehrere Staats- und Regierungschefs in Paris, um über die Pläne des US-Präsidenten zu beraten. Eingeladen hat Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Wer konkret teilnehmen wird, war zunächst nicht bekannt. Bei dem Treffen wird es nach Angaben von Diplomaten um die Frage gehen, was die Europäer zu einem möglichen Friedensdeal beitragen können.
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USA und Russland: Wo sollen erste Gespräche stattfinden?
Angekündigt ist eine erste Verhandlungsrunde in den kommenden Tagen in Saudi-Arabien. Die saudische Regierung war offenbar von dem Trump-Vorstoß überrumpelt worden, erklärte sich dann aber bereit, Gastgeber des Treffens zu sein. Dabei sollen zunächst auch nur US-Außenminister Rubio und ranghohe russische Vertreter anwesend sein; die Ukraine wolle niemanden hinschicken, hieß es aus diplomatischen Kreisen in Kiew. In Saudi-Arabien soll später auch ein bilaterales Treffen zwischen Trump und Wladimir Putin stattfinden. Der Zeitpunkt dafür ist noch nicht bekannt.
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Friedenstruppe: Was hat es mit dem Fragebogen auf sich, den die USA verschickt haben?
Die US-Regierung hat Deutschland und andere europäische Alliierte aufgefordert, mögliche Beiträge zu Sicherheitsgarantien für die Ukraine zu melden. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur sollen die Länder unter anderem angeben, wie viele Soldaten sie für eine Friedenstruppe oder Ausbildungsprogramme nach einem Ende des russischen Angriffskriegs in die Ukraine schicken könnten. Zudem soll es auch um Waffensysteme gehen und die Frage, was von den USA erwartet wird.
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Welche Forderungen vertritt die Ukraine und was sind dabei die größten Streitpunkte?
Selenskyj will unbedingt erreichen, dass sein Land und die Europäer insgesamt an einer Friedenslösung für die Ukraine beteiligt werden. Kiew verlangt robuste Sicherheitsgarantien von Russland und vor allem von den westlichen Partnern. Am liebsten wäre den Ukrainern eine Nato-Mitgliedschaft – was die Trump-Regierung allerdings jüngst als „unrealistisch“ zurückgewiesen hat.
Russland muss nach Selenskyjs Auffassung nach dem Krieg abrüsten. Es brauche ein „System, wie man Putin kontrollieren kann“, sagte der ukrainische Präsident am Wochenende auf der Münchner Sicherheitskonferenz. „Wenn der Krieg falsch endet, werden wir einen Überschuss haben an kriegserprobte Soldaten.“
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Selenskyj machte in München auch deutlich, dass sein Land nicht bereit ist, die besetzten ukrainischen Gebiete im Osten Russland zu überlassen. Mit Blick auf die Ost-Grenze und die Verbündeten sagte der Präsident: „Das ist die stärkste Grenze für uns alle. Das ist die Grenze des Völkerrechts.“
Die US-Regierung hatte zuletzt deutlich gemacht, dass sie einen Verzicht der Ukraine auf Gebiete für unabdingbar hält. Dies und die Ablehnung eines Nato-Beitritts der Ukraine waren gewissermaßen eine Morgengabe der Trump-Regierung an Russlands Machthaber Wladimir Putin, um wieder mit diesem ins Gespräch zu kommen. Normalerweise stehen solche weitreichenden Festlegungen nicht am Anfang, sondern am Ende von Verhandlungen.
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Was wird aus dem Ziel der Ukraine, der Nato und der EU beizutreten?
Beides bleibt bestehen. Die Ukraine würde lieber heute als morgen der Nato beitreten. Auf ihrem Washingtoner Gipfel beschlossen die Staats- und Regierungschefs des Bündnisses im Sommer 2024, dass sich die Ukraine auf einem „unumkehrbaren Weg zur vollständigen euro-atlantischen Integration, einschließlich der Nato-Mitgliedschaft“ befinde. Wenn die US-Regierung nun einen Beitritt nach einem Friedensschluss als „unrealistisch“ bezeichnet, kommt das zunächst einem Veto gleich. Das heißt aber nicht, dass die Ukraine und europäische Staaten das Ziel aufgeben und es in Zukunft – etwa nach der Präsidentschaft Donald Trumps – wieder auf die Tagesordnung drängen dürfte.
Ganz anders stellt sich die Frage eines EU-Beitritts der Ukraine dar: Hier können die USA nicht mitbestimmen. Seit Juni 2022 ist die Ukraine EU-Beitrittskandidat. Die Beitrittsverhandlungen starteten zwei Jahre später. Allerdings ist vollkommen unklar, wann die Ukraine tatsächlich Mitglied werden kann. Ein Beitritt vor den 2030er Jahren erscheint wenig wahrscheinlich, zumal die EU die Aufnahme eines so großen Landes auch selbst verkraften muss. Oft ist von einem Prozess von zehn bis 15 Jahren die Rede.