Berlin. Zur Bundestagswahl: Was können die neuen KI-Entscheidungshilfen und wie schlagen sie sich gegen den Wahl-O-Mat?
Am 23. Februar, wird in Deutschland der neue Bundestag gewählt. Die Frage, die sich nun viele stellen: Welche Partei soll ich wählen? Wer sich nicht durch die seitenlangen Wahlprogramme arbeiten möchte, kann Entscheidungshelfer wie den Wahlomat nutzen.
Der Wahlomat (offiziell bekannt als „Wahl-O-Mat“) ist ein Online-Tool der Bundeszentrale für politische Bildung (bpb). Er soll Wählerinnen und Wählern eine Orientierungshilfe bei der Wahlentscheidung zu bieten. Beim Wahl-O-Mat können Nutzer eine Reihe von Thesen und Fragen zu verschiedenen politischen Themen beantworten. Das Tool berechnet dann die prozentuale Übereinstimmung der eigenen Antworten mit den Positionen der Parteien und zeigt das Ergebnis in einem Balkendiagramm an.
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Neben dem bei Wahlberechtigten extrem beliebten Klassiker tauchen vor der Bundestagswahl 2025 immer mehr KI-gestützte Programme auf, die Wähler bei ihrer Entscheidungsfindung begleiten wollen. Wahlweise und Wahl.Chat präsentieren sich als ernstzunehmende Alternative zum Wahl-O-Mat.
Was können die Maschinen? Wie funktionieren sie – und gibt es Bedenken, die Nutzerinnen und Nutzer im Blick haben sollten? Wir haben uns die drei Programme genauer angeschaut und mit zwei KI-Experten über Nutzen und mögliche Risiken gesprochen.
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Wahlomat-Alternativen „erleichtern den Überblick“
Reinhard Karger ist Unternehmenssprecher und Mitglied des Aufsichtsrates des DFKI (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz). Laut Karger bieten die Chat-Bots in ihrer Funktion zunächst einen „thematisch offenen, dialogischen Zugang“ zu den Parteiprogrammen. „Die Nutzenden können alle Fragen stellen, die aktuell für ihre persönliche Wahlentscheidungsfindung relevant sind. Wahl.Chat z.B. liefert dann als Ausgabe die zusammengefassten Positionen gleich mehrerer Parteien und erleichtert den Überblick.“
Auch die Nutzerfreundlichkeit der KI-Programme sei laut Karger maßgeblich für den Zugang zu politischen Informationen. „Wahl-Chatbots verwenden dieselbe aufgeräumte Nutzungsoberfläche, die die meisten mittlerweile von ChatGPT oder aktuell auch von DeepSeek kennen und motivieren, mit den Parteiprogrammen zu interagieren.“
Zu jeder Frage bekommt der Nutzer eine für ihn generierte Antwort und (bei zwei von den drei Programmen) auch die passende Textpassage aus dem Wahlprogramm angezeigt. Dieser direkte Verweis auf die Originalquellen mache die Programme laut Karger zu „komfortablen Suchmaschinen“. Das Prüfen der Quelle sei laut Karger dabei unerlässlich. „Den Aufwand sollte man nicht scheuen. Das macht zwar Arbeit, ist aber erkenntnisreich.“
Doch wie gut sind Funktion, Nutzerfreundlichkeit und die Quellenverweise der KI-Anwendungen wirklich?
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Alternative zum Wahl-O-Mat? KI-Tool „Wahlweise“ im Test
Wahlweise stammt vom thüringischen Unternehmen AI-UI GmbH aus Ilmenau. Gegenüber Heise erklärt Gründer Martin Schiele, dass bei Wahlweise, im Gegensatz zum Wahl-O-Mat, die Antwort direkt aus den Wahlprogrammen der Parteien stammen. „Wir haben uns anfangs an den Wahl-O-Mat-Fragen orientiert, haben aber nicht immer eine konkrete Antwort darauf in den Programmen gefunden“, erklärt Schiele. Das ist bei Wahlweise anders.
Die KI von Wahlweise findet die passenden Wahlprogrammauszüge zur gestellten Frage – ganz ohne Trainingsdaten. Die thematische Unterteilung sorgt für prägnante, inhaltlich passende Antworten, ohne dass bei der Zusammenfassung etwas verloren geht. Zusätzlich formuliert der Bot die Parteiprogramme so um, dass Nutzer neutrale Aussagen vorgelegt bekommen. Das wäre laut Schier besonders wichtig, da Untersuchungen gezeigt hätten, dass KI durch Trainingsmaterial eine eigene politische Tendenz entwickeln könnte.
Die Startseite präsentiert sich aufgeräumt. Nutzer können aus vorgegebenen Fragen wählen, etwa zu Bildung oder Migration – oder selbst eine Frage formulieren. Die Beantwortung erfolgt im Chat-Format, ähnlich wie bei ChatGPT. Anschließend listet die KI bis zu zehn Parteien mit kurzen Statements auf, darunter CDU, Linke, AfD, aber kleinere Parteien, wie Volt oder die Partei für Verjüngungsforschung. Es ist aber auch möglich, den Fokus auf nur eine oder wenige Parteien zu legen.
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So könnte es im Februar aussehen, wenn wieder eine Bundestagswahl ansteht. (zu dpa: «Landeswahlleiter: Berlin sucht noch Wahlhelfer») Foto: Michael Kappeler/dpa +++ dpa-Bildfunk +++ Wählen"
Im Gegensatz zum Wahl-O-Mat erlaubt Wahlweise eine unbegrenzte Anzahl an Fragen zu Parteien und Themen. Das Tool bietet so einen flexibleren Zugang zu politischen Informationen. Ein zentrales Manko: Der direkte Verweis auf die Quellen fehlt. Auch auf Nachfrage verlinkt Wahlweise keine Originaltexte aus den Wahlprogrammen. Das erschwert die Nachprüfbarkeit, die laut KI-Experte Reinhard Karger gegeben sein sollte.
Chatten zur Bundestagswahl mit Wahl.Chat
Wahl.Chat ist ein weiteres Tool, das auf den Wahlprogrammen basiert. Die Nutzeroberfläche erinnert stark an ChatGPT und ist ebenso schlicht gehalten. Laut SWR wurde Wahl.Chat von einem fünfköpfigen Team aus Psychologie- und Informatikexperten mit Forschungserfahrung in Cambridge in nur sechs Wochen entwickelt.
Nutzer können bei Wahl.Chat bis zu drei Parteien auswählen oder allgemeine Fragen stellen. Auch Vergleiche von bis zu zehn Parteien sind je nach Fragestellung möglich. Die Antworten sind kurz, gut verständlich und wichtige Stichpunkte fett markiert. Besonders positiv: Jeder Absatz enthält Links zu den entsprechenden Wahlprogrammstellen – das erleichtert den Faktencheck und erhöht die Glaubwürdigkeit. Ein Pluspunkt ist außerdem, dass der Bot Begriffe erklären kann, wie etwa „Beitragssatz“ beim Thema Rente. Das erleichtert das Verständnis der Antworten, und spart Zeit.
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Wahl.Chat bietet keine vorgefertigten Fragen wie der Wahl-O-Mat. Nutzer dürfen ihre eigenen Fragen stellen und selbst Schlüsse ziehen. Weiterführende Links zu den Parteien wie bei Wahlweise fehlen, dennoch hilft das Tool, sich effizient durch die Wahlprogramme zu navigieren.
Experten warnen: „komfortable Recherchetools“ statt „Wahlempfehlungsmaschinen“
Uwe Messer ist Professor für Business Analytics an der Universität der Bundeswehr München. Als KI-Experte lobt er zwar ebenfalls den interaktiven und dialogischen Zugang der KI-Programme zu politischen Informationen, warnt aber gleichzeitig vor einigen Risiken. Unter anderem können laut Messer auch KIs an ihre „Wissensgrenzen“ kommen und fehlerhafte Antworten erzeugen. „Das Ergebnis sind Antworten, die plausibel klingen, aber faktisch falsch sind (sogenannte Halluzinationen). Oft ist es schwierig, solche Fehler zu erkennen.“
Messer appelliert, dass sich Nutzende diesen Problemen bewusst sein sollten und sie „sich kritisch mit den Angeboten auseinanderzusetzen und selbst einen Blick in die Wahlprogramme“ werfen sollten. Die Einordnung parteipolitischer Aussagen durch solche Tools sollte laut Messer mit den richtigen Quellen immer „kritisch hinterfragt werden“.
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Ein weiteres Risiko sei laut dem KI-Experten Reinhard Karger, dass bei jeder Nutzung von KI-Programmen, die Wählerinnen und Wähler durch die KI-Programme niedrigschwellige Wege zu informierten Wahlentscheidungen suchen und dabei eine Bestätigung ihrer persönlichen Präferenzen bevorzugen.
Eine Empfehlung würden sie besonders dann schätzen, wenn sie mit ihrer eigenen Voreinstellung übereinstimme. „Das ist der sogenannte Confirmation Bias, und das ist menschlich. Aber man sollte auch nicht Opfer von Machine Bias werden, dem allzu menschlichen Vorurteil, dass Maschinen keine Fehler machen oder unhinterfragt voraussetzen, dass sie mit einer Ausgabe schon recht haben werden.“ Dies sei zwar möglich, aber nie sicher.
Karger spricht daher lieber von „komfortable Recherchetools“ und nicht von „Wahlempfehlungsmaschinen“. Trotz spannender Möglichkeiten von KI warnt er, dass die eigene Meinungsbildung nicht an Maschinen ausgelagert werden solle. „Ernsthafte Entscheidungen erfordern eben Ernsthaftigkeit.“
Auch Uwe Messer betont, dass die KI-Wahlentscheidungshelfer zwar „möglicherweise dazu geeignet (seien), die Hemmschwelle zur Auseinandersetzung mit den Positionen der Parteien zu senken“, warnt aber davor, die „eigene Recherche und Meinungsbildung vollständig durch die Nutzung KI-gestützter Informationsangebote zu ersetzen.“
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